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“Das passt auch zu unserer Vereinsfarbe” – VfL Wolfsburg

Von allen Bundesligavereinen wird der VfL Wolfsburg häufig als der nachhaltigste Club eingeschätzt. Woran liegt das und kann man überhaupt, wenn man so eng wie der VfL mit einem Autokonzern verknüpft ist, nachhaltig sein? Um ein umfassenderes Bild von den “Wölfen” zu bekommen, haben wir ein Interview mit Nachhaltigkeitsmanager Nico Briskorn gemacht.

Umwelt-Magazin: Bis wann will der VfL Wolfsburg klimaneutral sein?

Nico Briskorn: „Klimaneutral“ verwenden wir als Begriff nicht. Der ist ja durchaus schwierig zu sehen und deswegen vermeiden wir ihn bewusst, aber wir haben uns das ambitionierte Klimaziel gesetzt, bis Ende 2025 einen großen Teil der CO2-Emissionen zu reduzieren, und investieren parallel in Klimaschutzprojekte, da wo wir eben nicht reduzieren können.

Umwelt-Magazin: Werden alle Emissionen einberechnet?

Nico Briskorn: Seit 2011 bilanzieren wir – zu Beginn alle zwei Jahre, inzwischen jährlich – den CO2-Fußabdruck aller Scopes, also Scope 1, Scope 2 und Scope 3, das heißt nicht nur die Liegenschaften oder die Mitarbeitermobilität, das Catering, das Merchandising, sondern im Scope-3-Bereich insbesondere die Fan-Mobilität, die auch den größten Anteil am CO2-Fußabdruck ausmacht, nämlich knapp 60 Prozent.

“Wir haben unsere Ziele übertroffen”

Umwelt-Magazin: Sind die Zwischenziele erreicht worden?

Nico Briskorn: Das erste Ziel haben wir tatsächlich 2012 im ersten Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht. Es bestand darin, 25 Prozent CO2 in den Scopes 1 und 2 einzusparen. Das haben wir übertroffen. Wir waren irgendwo in den 30ern prozentual, und dann haben wir mit Ablauf des Jahres 2020 eine neue Zielsetzung formuliert. Seitdem lassen wir uns an dieser messen. Es gibt also einen Reduktionspfad, der sich an den science-based Targets orientiert, um auch einen messbaren Beitrag zum 1,5-Grad-Ziel zu leisten.

Umwelt-Magazin: Seit wann beschäftigt sich der Verein mit dem Thema Klimaschutz und welche Erfahrung haben Sie dabei gemacht?

Nico Briskorn: Wir arbeiten seit 2010, insbesondere seit 2012 mit Veröffentlichung des ersten Nachhaltigkeitsberichts, mit einer entsprechenden Zielsetzung am Thema Klimaschutz und merken, dass es unglaublich herausfordernd ist, weil viele CO2-Emissionen eben im Scope-3-Bereich liegen, die wir nur indirekt beeinflussen können – Stichwort: Fan-Mobilität. Wir versuchen aber natürlich über Anreizsysteme, über eine entsprechende Infrastruktur oder über Angebote wie das Kombi-Ticket auch darauf Einfluss zu nehmen und dementsprechend inkludieren wir die Fanmobilität auch in unsere Zielsetzung. Meine Erfahrung ist, dass man viel probieren muss und nicht alles funktioniert. Generell sind wir sicherlich schon Vorreiter als „grüner“ Club, gerade in den ökologischen Themen – das passt auch sehr gut zu unserer Vereinsfarbe. Aber es gibt auch andere Clubs, die coole Dinge umsetzen, die gute Sachen machen. Wir sind längst nicht mehr die Einzigen. Das liegt auch daran, dass die DFL mittlerweile Nachhaltigkeitskriterien verabschiedet hat. Das heißt, der Druck von außen ist gewachsen. Als wir damals gestartet haben, war es ein rein chancenorientierter Ansatz. Und aufgrund des Drucks von außen sind jetzt eigentlich alle Clubs gefordert, entsprechende Konzepte zu entwickeln, egal ob z.B. zum Thema Abfall oder zu Energie. Deswegen will ich da gar nicht so detailliert darauf eingehen, was andere gut oder schlecht machen. Ich glaube, generell hat die Branche schon noch Nachholbedarf im Bereich Ökologie.

Nico Briskorn ist Nachhaltigkeitsmanager bei VfL Wolfsburg

“Mit wem man sich austauscht, hat nichts mit Klassenzugehörigkeit zu tun”

Umwelt-Magazin: Tauschen Sie sich mit anderen Vereinen über Maßnahmen zum Klimaschutz und allgemein zur Nachhaltigkeit aus?

Nico Briskorn: Ja, in jedem Fall. Es gab immer schon einen guten Austausch. Wegen der DFL-Kriterien wurde dieser von der DFL noch einmal forciert: Es gibt Sprechstunden, Unterstützungsmöglichkeiten seitens der DFL, beziehungsweise die DFL schafft Formate, wo sich die Clubs treffen und austauschen. Generell ist es trotz der Konkurrenz im Wettbewerb so, dass der Fußball in Bezug auf die einzelnen Belegschaften dann doch eine Familie ist. Das heißt, man kennt die anderen Fachverantwortlichen, die Nachhaltigkeitsbeauftragten, die Klimamanager und greift auch schnell einmal zum Hörer, wenn man eine Frage hat. Die Wege sind in der Regel sehr kurz.

Umwelt-Magazin: Mit welchen Clubs tauschen Sie sich vor allem aus?

Nico Briskorn: Klar gibt es Clubs, mit denen man vielleicht enger verbunden ist. Das hat dann aber weniger mit der Klassenzugehörigkeit oder der Region zu tun. Manchmal liegt es einfach daran, dass man einen guten Draht zu jemandem in einem anderen Club hat. Es kommt vor, dass Clubs sich nach unserem Engagement erkundigen. Das ist gar nicht auf Fußball beschränkt. Das ist vielleicht auch einmal der Eishockey-Club vor Ort oder ein Verein irgendeiner anderen Sportart. Der Austausch besteht mittlerweile tatsächlich sportartübergreifend.

Mangelndes Know-how, begrenzte Ressourcen und im Learning

Umwelt-Magazin: Welche Gründe gibt es allgemein für ein geringeres Engagement bei einigen Fußballvereinen im Bereich Klimaschutz?

Nico Briskorn: Ich glaube, die größten Hindernisse sind die begrenzten Ressourcen, sowohl finanzielle als auch personelle Ressourcen, und das mangelnde Know-how in den Clubs. Das wird aktuell in vielen Clubs sukzessive aufgebaut, aber es gibt auch noch eine Vielzahl an Clubs, die eben noch keinen Energiemanager mit einer entsprechenden zertifizierten Ausbildung haben, der mit dem Energiemanagementsystem die Daten nachhält und sie monitort. Genauso betrifft das die anderen ökologischen Themen, die ja eng mit dem Thema Klima zusammenhängen. Es braucht einige Monate, wenn nicht Jahre, nach und nach dieses Know-how aufzubauen. Das ist ja ein Learning, das wir letztendlich in den letzten über zehn Jahren vollzogen haben. Und auch wir haben nicht ausgelernt. Man lernt ja stetig dazu, probiert Dinge neu aus. Manchmal klappen Dinge, manchmal klappen sie nicht. Nachhaltigkeit und Klimamanagement setzen einen stetigen Lernprozess voraus.

Umwelt-Magazin: Der VfL Wolfsburg war einer der ersten Vereine, der Klimaziele formuliert hat. Waren Sie Vorreiter?

Nico Briskorn: Also ich würde schon sagen, dass wir in Deutschland die Ersten waren, die sehr ganzheitlich das Thema Nachhaltigkeit angegangen sind. Wir haben 2012 den weltweit ersten GRI-Nachhaltigkeitsbericht eines Fußballclubs publiziert und in dem Zusammenhang auch erste Klimaziele kommuniziert. Es gibt natürlich in den europäischen Ligen schon einzelne Clubs, die sich mit der Klimafrage beschäftigen und auch in dieser Hinsicht ein Stück weit Vorreiter sein wollen, z.B. kennt man ja die Forest Green Rovers aus England, die jetzt mittlerweile Drittligist sind, auch Betis Sevilla aus Spanien ist in dem Bereich recht umtriebig. Es gibt also schon ein paar Clubs, die versuchen, sich diesbezüglich zu positionieren. Am Ende geht es auf der einen Seite darum, etwas fürs Klima zu tun und für die Gesellschaft, und auf der anderen Seite machen wir das nicht nur aus einem rein philanthropischen Ansatz, sondern wir verfolgen damit auch unternehmerische Ziele: Wir können auf diese Weise vielleicht einen spannenden Partner gewinnen oder gerade die junge Zielgruppe ansprechen; junge Leute wie ihr haben vielleicht eher Lust, ins Stadion zu gehen, wenn sie wissen, dass es dort ökologischer zugeht als früher. Also es gibt zunehmend Anforderungen von unterschiedlichen Anspruchsgruppen.

Umwelt-Magazin: Wie groß ist das Nachhaltigkeitsteam des VfL?

Nico Briskorn: Wir sind sechs Festangestellte im Team Nachhaltigkeit, wobei wir auf der einen Seite das klassische Projektmanagement für das soziale Engagement in der Region machen und auf der anderen Seite interne Berater zu allen Nachhaltigkeitsthemen sind, egal ob jetzt zum Klimaschutz in Zusammenarbeit mit dem Umweltteam, in dem ganz viele Kollegen aus der Infrastruktur sitzen, oder zu Menschenrechtsthemen, Kinderschutzthemen. Wir sind vielfach Impulsgeber, aber nicht jedes Thema wird von uns verantwortet oder gar budgetiert. Wir versuchen einfach, diesen ganzheitlichen Transformationsprozess mit anzuschieben und mit unserem Wissen zu begleiten.

Das Volkswagenwerk in Wolfsburg / Von Vanellus Foto – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=33211914

Briskorn über Volkswagen: “Sie finanzieren den Sport”

Umwelt-Magazin: Wie stark beeinflusst Klimaschutz die Wahl der Sponsoren und Partner Ihres Vereins?

Nico Briskorn: Also VW ist ja unser Mutterkonzern und das ist auch gut so, da fühlen wir uns gut aufgehoben. Auch wenn Automobilindustrie nicht zwangsläufig in der Vergangenheit mit Klimaschutz in Verbindung gebracht wurde, ist die Mobilitätswende essentiell für eine gelungene Klimawende.  Und das zahlt sich am Ende dann auch im Hinblick auf unsere Klimaziele aus, denn – wie ich eingangs sagte – 60 Prozent der CO2-Emissionen entstehen durch die Fan-Mobilität. Insofern sind wir ein Stück weit abhängig von der Mobilitätswende. Volkswagen hat natürlich Klimaschutz und Klimaziele schon länger auf dem Schirm. Wir tauschen uns auch aus, haben einen engen Draht zueinander.  Bezüglich weiterer Sponsoren ist es so, dass wir tatsächlich auch versuchen, Partner neu zu gewinnen, die uns helfen, die Ziele zu erreichen. Wir haben zum Beispiel neue Partner seit dieser Saison an Bord, die uns im Bereich Energiemanagement helfen. Ich glaube, die Zukunft liegt darin, dass wir Sponsoren und Partner gewinnen, die ja inzwischen auch nicht mehr nur daran interessiert sind, Reichweite über eine klassische TV-Bande im Stadion zu erzielen, sondern die eben auch Geschichten erzählen und Nachhaltigkeitsmaßnahmen mit uns umsetzen wollen. Und wie geht das besser, als wenn man glaubwürdig und authentisch über gemeinsame Nachhaltigkeitsthemen oder Klimaschutzprojekte wie beispielsweise über ein energieeffizientes Stadion spricht und da auch zusammen Fortschritte erzielt? Also das ist die Richtung, in die wir verstärkt mit Partnern gehen.

Umwelt-Magazin: Wie viel Einfluss übt VW auf den Verein aus?

Nico Briskorn: Grundsätzlich definieren wir unsere Ziele eigenständig. Wir profitieren natürlich von der Expertise von Volkswagen in unterschiedlichen Bereichen. Wir adaptieren Management-Systeme; ein einfaches Beispiel dafür ist das S-Rating. Das ist ein nachhaltiges Lieferantenmanagement. Da nutzen wir einfach die Strukturen bei Volkswagen. Das sind Prozesse, die auch unsere Lieferanten durchlaufen müssen, um zu prüfen, ob die Menschenrechte geachtet werden etc. Da profitieren wir natürlich auch von der Erfahrung oder von den Prozessen, die Volkswagen schon auf den Weg gebracht hat. Auf der anderen Seite geben sie uns nicht vor, wie ambitioniert oder wenig ambitioniert unsere Klimaschutzziele sein sollen. Ich würde sogar sagen, dass wir 2020 mit der Orientierung am 1,5-Grad-Ziel vielleicht schon ein Tick ambitionierter waren als der Konzern im Ganzen, wo aber auch viel mehr Abstimmungsprozesse erforderlich sind, um solche Ziele aufs Papier zu bringen. Da sind wir vielleicht ein Stück weit im Vorteil, weil wir flexibler und ein bisschen kleiner und agiler sind.

Umwelt-Magazin: Können Sie als Verein überhaupt nachhaltiger sein als Ihre Partner?/Sollte man nicht mehr Verantwortung übernehmen, bevor man für Klimaschädliches wirbt?

Nico Briskorn: Ja, das ist ein schmaler Grat, auf dem man sich bewegt. Letztendlich sind wir abhängig von Sponsoren und Partnern, denn die finanzieren den Sport. Außerdem stehen wir natürlich auch im Wettbewerb zu den anderen Bundesligisten. Das heißt, wenn wir nachhaltigere Sponsoren wollen und diesbezüglich vielleicht auch ein Rating vornehmen, also einen Nachhaltigkeits-Check der Sponsoren, dann würde man auch den einen oder anderen ausschließen. Dazu bräuchte es eine Brancheninitiative, auf die sich alle Clubs verständigen. Ich würde nicht ausschließen, dass das zukünftig irgendwann kommt, und erste Wege werden jetzt auch gegangen, beispielsweise geben die DFL-Kriterien vor, dass die Clubs für ihre Partner einen ESG-Check etablieren müssen. Das heißt, du musst dir deine Partner oder potenziellen Partner anschauen und beurteilen, wie sie Nachhaltigkeitsthemen behandeln. Von daher glaube ich, kann das auch eine Entwicklung für die Zukunft sein.

Fan-Mobilität macht am meisten aus

Umwelt-Magazin: Wie hoch ist der CO2-Fußabdruck des VfL Wolfsburg?

Nico Briskorn: Im Ausgangsjahr 2020 sind ca. 13.000 t ausgestoßen worden und das Ziel ist, die Emissionen bis Ende 2025 um 37 Prozent zu reduzieren. Aktuell liegen wir bei knapp über 10.000 t, haben also eine Reduktion von knapp 20% erreicht.

Umwelt-Magazin: Sprechen wir noch einmal über Scope 3: Was wird versucht, um die Fan-Mobilität zu beeinflussen?

Nico Briskorn: Es gibt Angebote wie das beschriebene Kombi-Ticket. Es gibt zu Auswärtsspielen Sonderzüge, die organisiert werden, oder Busreisen. Es gibt eine E-Lade-Infrastruktur, wobei wir da vornehmlich auf die Mitarbeitenden, das heißt den internen Bedarf schauen, weil im öffentlichen Raum schon durch die Stadt Wolfsburg relativ viel passiert und die Stadt Wolfsburg da auch sehr, sehr gut ausgestattet ist im Verhältnis zu anderen Städten. Was wir probieren, ist eigentlich eher, die Vorbildfunktion des Clubs zu nutzen, auch vielleicht Sponsoren zu finden, die coole Preise zur Verfügung stellen, um zu incentivieren. Das heißt, wir organisieren zum Beispiel Klimaaktionsspieltage. Solche Klimaaktionsspieltage haben wir letztes und vorletztes Jahr durchgeführt mit Kampagnen, in die Spieler und Fans gleichermaßen eingebunden sind. Wir rufen Fans auf, mit dem Fahrrad zum Spiel zu kommen. Es gibt meinetwegen einen kostenlosen Fahrradcheck vor Ort. Den haben wir übrigens schon 2014 das erste Mal angeboten, vor über zehn Jahren. Damals war es schwierig, weil es zwar durchaus eine Idee vom Klimawandel gab, man die Leute aber nur schwer aktivieren konnte, weil vor zehn Jahren das Thema Klimaschutz noch längst nicht so präsent wie heute war. Das hat sich schon verändert, das merken wir auch. Was wir letztes Jahr eingeführt haben, ist eine Mobilitäts-App, Ummadum.  Ich kann mir die App als Fan downloaden und der Community beitreten und dann zu jedem Spiel nachhaltig anreisen und das tracken lassen. Über Geocaching oder Geofencing sieht die App, ob ich mit dem Fahrrad oder mit dem Bus anreise, und ich bekomme dann auf mein Handy einen Gutschein geschickt, mit dem ich an einer Verlosung teilnehmen kann. Letztes Jahr zum Beispiel haben wir E-Lastenfahrräder und andere tolle Sachen unter den Fans verlost. Und so versuchen wir, sie zu motivieren, nachhaltig anzureisen.

Umwelt-Magazin: Wie sieht es mit nachhaltigen Fanartikeln aus?

Nico Briskorn: Ja, das ist auch ein Thema, das wir früh adressiert haben. Tatsächlich ging es ein bisschen langsamer voran, als ich mir das vielleicht persönlich gewünscht hätte. Das liegt aber auch daran, dass wir als Club im Vergleich zu dem großen FC Bayern oder auch zu St. Pauli, die riesige Umsätze machen, einen relativ kleinen Hebel haben. Auch da würde man eigentlich als Branche einen besseren Hebel haben, denn am Ende sind es 10-15 Lieferanten und jeder Club bestellt bei den gleichen. Man könnte gemeinsam besser auf sie Einfluss nehmen. Deswegen finde ich ganz cool, dass es ein Gemeinschaftsprojekt von acht Bundesligisten gibt. Es nennt sich Vom Feld in den Fanshop.  Wir unterstützen aktuell 450 Bauern in Indien, die von normaler Baumwolle auf Bio-Baumwolle umstellen. Und deren Produkte beziehungsweise das Material, die Bio-Baumwolle, ist jetzt inzwischen auch in unseren Shops. Das ist jetzt seit drei Jahren ein Projekt mit der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit und Brands Fashion als Textilhersteller, der eine grüne Fabrik dort drüben mit Photovoltaik etc. hat. Unser Merchandising-Leiter wird diese im nächsten Jahr wieder besuchen. Das ist für mich ein Vorzeigeprojekt. Generell ist es unser Ziel, bis Ende 2025 50% der eigenen Merchandising-Kollektionen auf nachhaltige Artikel umzustellen. Wir liegen aktuell bei über 30%. Das ist zum großen Teil GOTS-zertifiziert. Wir haben auch auf der Homepage eine eigene Rubrik geschaffen, mit Hilfe derer man Nachhaltigkeitsartikel über die grüne Fährte, so labeln wir die nachhaltigen Produkte, nachverfolgen kann. Und wir legen Wert auf die CO2-Transparenz eines jeden Produkts. Wenn ihr jetzt gerade auf die Seite geht, seht ihr das nicht, weil es seitens der IT gerade bei uns im Shop Veränderungen gibt. Das ist aber wahrscheinlich im Herbst wieder online. Da sieht man für jedes Produkt den CO2-Fußabdruck und kann diesen freiwillig kompensieren.

“Die großen Ausrüster haben natürlich inzwischen auch Nachhaltigkeitsziele formuliert”

Umwelt-Magazin: Welche Vereine gehören noch zu „Vom Feld in den Fanshop“?

Nico Briskorn: Union Berlin, Eintracht Frankfurt, VfB Stuttgart, Werder Bremen, Hamburger SV, Arminia Bielefeld und St. Pauli und Borussia Dortmund seit einiger Zeit auch. [Anm. d. Red.: von uns angepasst an den aktuellen Stand]

Umwelt-Magazin: Wie viel Prozent der Trikots Ihres Vereins besteht aus recycelten Materialien?

Nico Briskorn: Die Trikots kommen vom Ausrüster, also in unserem Fall Nike. Das aktuelle Trikot wird zu mindestens 75% aus recyceltem Polyester hergestellt, um den CO2-Ausstoß und den Abfall zu reduzieren. Gerade die großen Ausrüster haben natürlich inzwischen auch Nachhaltigkeitsziele formuliert und entwickeln sich diesbezüglich stetig weiter. Erst kürzlich hatten wir einen spannenden Austausch mit den Nachhaltigkeitsbeauftragen von Nike.

“Vieles ist von den Rahmenbedingungen abhängig: Bin ich beispielsweise Mieter oder Eigentümer?”

Umwelt-Magazin: Wie hoch ist der Energieverbrauch der Stadien und wie hoch ist der Anteil erneuerbarer Energie bei Ihnen?

Nico Briskorn: Die Zahlen habe ich nicht genau im Kopf, aber wir publizieren diese im Nachhaltigkeitsbericht; wir bilden das, wie gesagt, über eine Energie-Software ab und haben auch eine Vielzahl zusätzlicher Messzähler in den letzten zwei Jahren installiert, um besser tracken zu können, was die Volkswagen Arena, was das AOK-Stadion, was die Trainingsplätze im Einzelnen verbrauchen. Denn oftmals war es in der Vergangenheit so, dass Fußballvereine einen großen Zähler haben, über den alles gezählt wird, sodass man gar nicht unterscheiden kann, wo denn die Effizienzmaßnahmen greifen und was wo eingespart werden kann. Das können wir mittlerweile sehen und das macht uns die Effizienz oder das effiziente Agieren wesentlich einfacher.

Der Anteil erneuerbarer Energien ist, offen gesprochen, relativ gering. Das Dach der Volkswagen Arena ist anders als das anderer Stadien – ich denke an das Weserstadion in Bremen oder die Signal-Iduna-Arena in Dortmund – statisch nicht wirklich dafür ausgelegt, dass wir Photovoltaik-Module auf das Dach montieren können. Ich weiß nicht, ob ihr das vor Augen habt. Es ist so ein freischwebendes Dach aus einer Membran. Dort kannst du keine Photovoltaikanlage anbringen. Es gibt aber entsprechende Planungen für das AOK-Stadion als auch für das VfL-Center und den Kraftraum. Auf den Kraftraum soll Photovoltaik auch in Kombination mit einem Gründach entstehen, um auch noch etwas für die Biodiversität und auch die Effizienz der Module zu tun. Daran arbeiten wir, sodass . der Anteil erneuerbarer Energien zukünftig wächst.

Umwelt-Magazin: Ist es für kleinere oder für größere Vereine leichter, klimaneutral zu werden? Anders gefragt: Ist es bei kleineren Vereinen leichter, an den Stellschrauben zu drehen oder ist es für große schneller möglich, weil mehr Geld im Spiel ist?

Nico Briskorn: Kleinere sind möglicherweise agiler. Über die kleineren Geschäftsstellen gibt es kurze Wege. Letztendlich hängt viel davon ab, wie wichtig das Thema dem Geschäftsführer oder dem jeweiligen Vorstand ist. Das ist aber natürlich auch bei den großen Clubs so. Das Thema muss Top-Down vorgelebt werden. Und es müssen eben auch die Ressourcen bereitgestellt werden, was dann vielleicht in größeren Vereinen einfacher ist. Ich würde vielleicht noch einen anderen Punkt nennen. Ich glaube, dass vieles von bestimmten Rahmenbedingungen abhängig ist. Es ist zum Beispiel ein großer Unterschied, ob ich Eigentümer oder Mieter des Stadions bin, weil das bedeutet, dass ich eine komplett andere Ausgangsposition habe. Wenn ich in mein Stadion reinbauen kann, was ich möchte, dann kann ich in Energie, in Abfall, in Klimathemen sehr, sehr gut Veränderungen vornehmen. Wenn ich aber nur Mieter bin, wie zum Beispiel die Kollegen in Düsseldorf, dann habe ich relativ wenig Einflussmöglichkeiten.  Das ist für mich ein sehr starkes Kriterium, weil es die unterschiedliche Ausgangsposition ausmacht.

“Sie werden zukünftig transparent werden müssen”

Umwelt-Magazin: Wir haben nicht von allen Vereinen Informationen erhalten. Die Begründung war häufig, dass es sich um sensible Daten handele. Was denken Sie: Sind Vereine transparent genug?

Nico Briskorn: Sie werden zukünftig transparent werden müssen, weil die EU das aktuell über die CSRD, die neue Richtlinie zur Berichtspflicht, vorgeben wird. Daran arbeiten die Clubs schon im Hintergrund und bereiten das vor. Ich glaube, der Grund, warum sie es in der Vergangenheit teilweise noch nicht gemacht haben, ist auch die Sorge, dass sie von NGOs und über Medien vielleicht angegangen werden. Unsere Erfahrung ist allerdings, dass vollständige Transparenz – und wir versuchen überall total transparent zu sein und uns auszutauschen, auch mit kritischen Anspruchsgruppen – die Glaubwürdigkeit erhöht. Und man kann am Ende des Tages auch nur zusammen mit diesen Anspruchsgruppen die Ziele erreichen und weiter vorankommen. Das Problem im Fußball ist, dass es natürlich sehr kritische Umweltschutzverbände gibt, die die Reichweite des Fußballs nutzen und vielleicht auch einmal ein kritisches Thema auf dem Rücken des Fußballs bewusst medial „spielen“. Und das sind einfach Erfahrungen, die einzelne Clubs in der Vergangenheit machen mussten und auch das ist sicherlich ein Grund dafür, dass sie in diesen Themen zurückhaltender agieren und eher defensiver sind. Aber das ist nur eine sehr subjektive Interpretation von mir.

Umwelt-Magazin: Wie steht es um die Nachhaltigkeit bei der Bewässerung des Rasens?

Nico Briskorn: Ja, das ist ein wichtiges Thema, das einen Zielkonflikte zeigt (genau wie das Thema Energie), denn wir wollen auf der einen Seite den perfekt bespielbaren Rasen. Tatsächlich ist der Rasen der Volkswagen Arena in den letzten fünf, sechs Jahren dreimal zum Pitch of the Year von den Kapitänen nach dem Spiel gewählt worden. Er ist also für die für die beste Rasenqualität ausgezeichnet worden und die wollen wir ja auch, um den Fans ein perfektes Spiel bieten zu können, und das braucht natürlich Einsatz von Ressourcen, also von Wasser, von Energie. Und das wollen wir auf der anderen Seite aus ökologischen Gründen so weit wie möglich verhindern. Wir versuchen diese Zielkonflikte bestmöglich zu lösen, z.B. indem wir Grauwasser aus dem Mittellandkanal zur Beregnung der Trainingsflächen nutzen. Wir nutzen mittlerweile auch KI-gestützte Systeme, die eine Reihe an Messfühlern installiert haben und – das könnte jetzt der Greenkeeper besser erklären – Daten aus Luft, aus dem Boden dem Greenkeeper zuspielen, sodass der genau sieht und weiß, was der Rasen genau jetzt benötigt. Und darüber kann ich natürlich auch die Effizienz steuern. Grundsätzlich kann man aber sagen, dass es im Bereich Ökologie im Fußball jede Menge Zielkonflikte gibt. Die Bewässerung ist tatsächlich ein Thema, das wir zukünftig noch ein bisschen stärker adressieren wollen, weil wir feststellen mussten, dass sich durch die Region Wolfsburg ein Dürregürtel zieht. Deswegen ist das in den letzten Monaten noch stärker in den Fokus geraten und wir bereiten das auch für den nächsten Nachhaltigkeitsbericht jetzt gerade auf, sodass wir dazu auch noch mehr Informationen preisgeben.

Umwelt-Magazin: Wie würden Sie es einschätzen: Wie stehen die übrigen Bundesligavereine davor? Tun die genug für den Klimaschutz?

Nico Briskorn: Unglaublich schwierig ist das zu beantworten – Also ich hätte vielleicht ein Gefühl, aber ob das richtig ist, weiß ich nicht. Natürlich gibt es Vereine, die eher mit ökologischen Themen verbunden werden. Dazu gehört der SC Freiburg schon seit gefühlt 20 Jahren. Ich weiß ehrlicherweise nicht, warum. Ich glaube, das liegt einfach an der Stadt. Außerdem ist dort auch relativ viel Industrie ansässig, die nachhaltig agiert. Freiburg ist jetzt gerade auch mit einem starken Partner, mit Jobrad, unterwegs und aktiviert rund um das Thema Fahrrad und macht das super gut. Das ist jetzt mal ein Beispiel. Und so könnte man jeden einzelnen Verein durchgehen, das möchte ich aber auch gar nicht machen. Ich kenne die Kollegen der anderen Vereine und ich weiß, dass es viele sehr, sehr engagierte Kollegen für die Nachhaltigkeitsthemen gibt. Am Ende ist es immer eine Frage, wie viel Gehör finden sie im Verein und welches Standing haben sie im Club. Unterstützung gibt es jetzt Gott sei Dank durch die DFL-Kriterien und es ist ja nicht nur die DFL, sondern auch die UEFA und der DFB macht im Rahmen der Frauen-Bundesliga ab der kommenden Saison Vorgaben. Also der Druck wächst.

Umwelt-Magazin: Gibt es Kompensationsmaßnahmen beim VfL Wolfsburg?

Nico Briskorn: Aktuell noch nicht. Wir haben in der Vergangenheit punktuell kompensiert, auch schon mal für Mannschaftsreisen. Wir haben das Thema Kompensieren bewusst auf Ende 2025 geschoben. Wir schauen und überlegen auch, ob wir wirklich im Hinblick auf den globalen Süden kompensieren oder ob wir nicht lieber in mitunter regionale Klimaschutzprojekte mit starken Partnern investieren.

Umwelt-Magazin: Vielen Dank für das offene und nette Interview, was wir mit Ihnen führen konnten!

Das Interview wurde sprachlich überarbeitet. Der Interviewte hat das Interview autorisiert.

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