Stationsleiterin der Neumayer-Station III im Interview
Die Neumayer-Station III liegt mitten in der Antarktis. Sie ist die Basis für die deutsche Antarktisforschung. De Forscher*innen liefern wichtige Informationen über den Zustand der Antarktis. Gerade auch in Hinblick auf die Klimaforschung ist die Arbeit der Wissenschaftler*innen sehr bedeutend. In etwa 50 Personen finden Platz in der Station. Wir konnten zur Stationleiterin der Neumayer-Station III Kontakt aufnehmen und ihr einige Fragen stellen.
Umwelt-Magazin: Wie ist Ihr Alltag auf der Neumayer-Station?
Anja Weber: Das hängt sehr von der beruflichen Position ab. Wir haben naturgemäß keine richtige Trennung zwischen Arbeit und Freizeit, was manchmal schwierig ist. Die Wissenschaftler/-innen habe ziemlich routinierte Tage, wir werden nach und nach im AtkaXpress darüber berichten. Ich bin als Stationsärztin natürlich für die Gesundheit aller zuständig, im besten Fall habe ich damit wenig zu tun. Dann betreue ich eine medizinische Studie, bei der wir selber Probanden sind. Als Stationsleiterin kümmere ich mich um Außenkontakte, Inventuren, die Stations- und Wegesicherheit, Brandschutzübungen und alles, was so getan werden muss. Wir versuchen mindestens zum Abendessen alle zusammenzukommen. Und abends gibt es dann ganz unterschiedliches Programm – Billiard, Spiele-/Kinoabend oder Sport – oder man zieht sich zurück und liest oder telefoniert mit daheim.
Umwelt-Magazin: Wie werden die Lebensmittel für die Station beschafft?
Anja Weber: Mit dem ersten Flug im Oktober kommt Frischware, die meisten Lebensmittel kommen aber mit dem Schiff in Containern im Januar; mit dem letzten Flug im März gibt es dann nochmal Frischware aus Südafrika. Dann müssen wir bis Oktober zurecht kommen. Die Einkaufsplanung und -bestellung für das gesamte Jahr hat unsere Köchin im letzten Oktober gemacht.
Umwelt-Magazin: Wie kann man Forscher*in in der Antarktis werden?
Anja Weber: Alle Überwinterungsstellen werden ausgeschrieben und man kann sich, wenn die Profession passt, bewerben. In unserem Fall also beim AWI. Interesse ist das Wichtigste dabei, auch Praktika können helfen.
Neumayer-Station III – Nachhaltigkeit
Umwelt-Magazin: Was passiert mit Müll, der anfällt?
Anja Weber: Alles wird hier getrennt gesammelt, geschreddert oder gepresst und mit dem Schiff im Januar abtransportiert – gewöhnlich dann nach Südafrika.
Umwelt-Magazin: Was wird auf der Neumayer-Station getan, um sie als eine nachhaltigere Station zu gestalten?
Anja Weber: Wir haben ein Windrad und auch Solar. Doch aufgrund der extremen Bedingungen hier kommen wir ohne Blockheizkraftwerke nicht aus. Die laufen mit Polardiesel. Es sind weitere Windräder geplant, doch auch deren Technik hat unter den Bedingungen hier zu leiden.
Umwelt-Magazin: Welchen Forschungsschwerpunkt haben Sie momentan?
Anja Weber: Die Hauptobservatorien liefern inzwischen seit 44 Jahren Langzeitdaten – das sind Luftchemie, Meteorologie und Geophysik. Daneben gibt es ein Pinguinobservatorium (SPOT), Meereismessungen, akustische „Beobachtungen“ unter Wasser (PALAO) und vieles mehr – man kann auf der Homepage des AWI zu allem Näheres erfahren
Klimakrise in der Antarktis
Umwelt-Magazin: Wie viel Grad sind es momentan, am 13. Mai 2024, in der Antarktis?
Anja Weber: Heute haben wir -16°C bei 40 Knoten Wind; das entspricht einer gefühlten Temperatur von -30°C (sogenannter Windchill); vor einigen Tagen war es windstiller, da hatten wir aber -35°C; wir alle haben schon kleinere Erfrierungen gehabt…
Umwelt-Magazin: Wie stark ist die Klimakrise in der Antarktis zu spüren?
Anja Weber: Das ist schwer zu sagen, „spüren“ können wir sie hier als Momentaufnahme nicht. Es gibt einen großen Unterschied zwischen Westantarktis, wo die Gletscher massiv abschmelzen und Ostantarktis, wo wir uns befinden. Hier sind momentan die Auswirkungen geringer. Seriöses kann man dazu nur sagen, wenn man viele Jahre vergleicht.
Umwelt-Magazin: Welchen Einfluss hat die Politik auf die Arbeit in der Neumayer-Station?
Anja Weber: Wir sind – beziehungsweise das AWI ist – ein öffentlich-rechtlicher Betrieb, d.h. komplett durch Steuergelder finanziert. Ich persönlich halte die Einflussmöglichkeiten der Politik auf unsere Arbeit für gering, sicherlich viel geringer, als die von Privatpersonen, wenn die Projekte privat finanziert würden
Umwelt-Magazin: Und welchen Einfluss hat sie auf die Antarktis?
Anja Weber: Na ja, letztlich kann nur Politik zu Veränderungen führen – durch Gesetze, Bestimmungen, internationale Abkommen; nur so konnte die Antarktis bisher als relativ geschützter Raum existieren; und nur so werden wir auch auf die Klimaveränderungen einwirken können.
Umwelt-Magazin: Sie beobachten Pinguine. Inwiefern sind Pinguine durch die Klimakrise/ein Artensterben und insgesamt durch den Menschen betroffen?
Anja Weber: Die Pinguinkolonie, die hier in der Nähe im Winter brütet, ist seit Jahren stabil; aber die Tiere sind darauf angewiesen, dass sich das Meereis früh genug bildet und lang genug hält – den dort brüten sie dann und ziehen die Küken groß. Ob das in den nächsten Jahren noch so ist, wissen wir nicht. Aber wenn es auch hier wärmer werden sollte, sind die Pinguine sicherlich auch bedroht. Sie brauchen die eisige Kälte! Für alle, die in der Antarktis arbeiten oder sich als Touristen bewegen gibt es klare Verhaltensregeln gegenüber allen hier lebenden Arten. Deutliche Tierverluste gab es Ende des letzten Jahres zwar nicht bei uns, aber im Raum der antarktischen Halbinsel durch die Vogelgrippe, die sich dort ausgebreitet hat.
Umwelt-Magazin: Liebe Anja, ganz herzlichen Dank für die netten Antworten und den großartigen Mail-Kontakt, den wir hatten! Das hat uns alle wirklich sehr gefreut.
Quellen
Titelbild: Alfred-Wegener-Institut / Michael Trautmann
Lounge mit Billiard-Tisch: Alfred-Wegener-Institut / Stefan Christmann CC-BY-4.0
Windkraftwerk: Alfred-Wegener-Institut / Thomas Steuer