Sprache in Zeiten der Klimakrise

Als die Sendung „Monitor“ vom WDR auf Instagram Tipps gab, wie man passender über die Klimakrise reden könnte, kommentierte die Bild-Zeitung sogleich ablehnend und höhnisch, dass laut „Monitor“ selbst der Begriff „Erderwärmung“ verharmlosend sei und die ARD-Sendung eine radikale „Klima-Sprache“ fordere.  Was könnte an Worten wie „Klimawandel“ oder „Klimaskeptiker“ verharmlosend und nicht radikal genug sein? Wie sollte man in Zeiten von Krisen sprechen und wann ist man als Journalist*in schon politisch – wann nicht?

„Klimakrise“ – Nicht neutral?

Journalist*innen sollten eine neutrale Sprache wählen, wenn sie einen Bericht schreiben und keinen Kommentar. Das sage nicht ich, sondern das ist ein allgemeines Gebot, an das sich manche mehr halten als andere. Doch wo ist die Grenze zwischen Sachlichkeit und Radikalität auf der einen und Verharmlosung auf der anderen Seite? Ist es schon unsachlich, wenn man das Wort „Klimakrise“ statt „Klimawandel“ nutzt, wie Monitor es auf Instagram als Alternative vorschlägt?  Die Chefredaktion von The Guardian schreibt dazu:

Wir wollen sicherstellen, dass wir wissenschaftlich präzise sind und gleichzeitig klar mit den Lesern zu diesem sehr wichtigen Thema kommunizieren. […] Der Begriff ‚Klimawandel‘ zum Beispiel klingt eher passiv und sanft, wenn Wissenschaftler von einer Katastrophe für die Menschheit sprechen.“

Das stimmt wohl: Das Wort „Krise“ verweist stärker auf die Problematik, die mit den klimatischen Veränderungen einhergeht. Allerdings könnte man einwenden, dass man damit eher etwas verhältnismäßig kurz Andauerndes wie die Coronakrise assoziiert, die bald auch wieder fast verschwunden ist. Trotzdem ist das Wort „Wandel“ nicht wirklich angemessen, weil die negativen Auswirkungen nicht anklingen. Ein Wandel kann ja auch ganz normal oder gar schön sein. „Krise“ beschreibt den Sachverhalt vielleicht etwas genauer. Wir, das Umwelt-Magazin, nutzen aus den bereits genannten Gründen vorwiegend den Begriff „Klimakrise“ und eben auch „Erderhitzung“ statt „Erderwärmung“.

Ist man skeptisch oder leugnet man?

 Zurück zum Monitor, der WDR-Sendung. Außer über die Begriffe „Klimawandel“ und „Klimakrise“ schreibt er auch über die Begriffe „Klimaleugner“ beziehungsweise „Klimaskeptiker“ und stellt den letzteren in Frage. Warum? Was ist ein Skeptiker?
Im Duden findet man dazu folgenden Eintrag:

Skeptiker: „zu einem durch Skepsis bestimmten Denken, Verhalten neigende männliche Person“

Die Person neigt also durch Skepsis zu einem bestimmten Denken, Verhalten. „Skepsis“ wird unter anderem mit dem Wort „Bedenken“ erklärt und „Bedenken“ unter anderem mit

Bedenken: „schwankende Ungewissheit, ob jemandem, jemandes Äußerung zu glauben ist.“

Normalerweise sind die Menschen, die als „Klimaleugnende“ oder „Klimaskeptiker*innen“ bezeichnet werden, in Bezug auf die Klimakrise aber nicht skeptisch – sie haben keine Bedenken oder sind unsicher – sondern sie sind schlicht und ergreifend leugnend. Sie streiten ab, dass die Klimakrise real ist und dass es die Lebensweise der Menschen ist, die sie vorantreibt. Dabei sind die Fakten klar und die Wissenschaft ist sich quasi einig. Jede*r Deutsche hat Zugang zu den Inhalten und Tatsachen. Sich auf die immer bestehende und immer mitgedachte Restunsicherheit innerhalb – und außerhalb – der Wissenschaft zu berufen, gleicht also dem Leugnen eines wissenschaftlichen Konsenses.

Dass „Klimaleugner*in“ das Wort der Wahl ist, wird übrigens auch bezweifelt. Was heißt das denn? (Fast) niemand würde leugnen, dass es ein Klima gibt. Klima sind durchschnittliche Wetterbedingungen, die über einen längeren Zeitraum gemessen wurden – und dass es Wetter gibt leugnet man im Normalfall nicht. Man leugnet die Klimakrise. Ist „Klimakrisenleugner*in“ das treffendere Wort? Wenn man von Menschen spricht, die die Klimakrise leugnen, ja, wenn man aber von Menschen spricht, die leugnen, dass die Klimakrise menschengemacht ist, nicht. Mittlerweile ist letzteres häufig der Fall. Nun versucht mal für Menschen, die leugnen, dass die Klimakrise menschengemacht ist, ein objektives Nomen zu finden. Klappt nicht so recht, oder? Solange wir keinen passenden alternativen Begriff kennen, werden wir deshalb erstmal weiterhin von „Klimaleugner*innen“ schreiben.

Covering Climate Now

Übrigens, in Europa war The Guardian einer der Vorreiter in Sachen klimagerechte Sprache und auch Teile der BBC reden heute von der „Klimakrise“. Im Hinblick auf diejenigen, die sich auf die wissenschaftliche Restunsicherheit berufen, wurde in der BBC festgelegt:

Um Unparteilichkeit zu gewährleisten, ist es nicht nötig, offene Leugner des Klimawandels in der BBC-Berichterstattung vorkommen zu lassen. Genauso wenig würden wir es ja tun mit jemandem, der bestreitet, dass Manchester United am letzten Samstag 2:0 gewonnen hat. Der Schiedsrichter hat gesprochen.“

Einige Sendungen der BBC und von The Guardian sind seit einiger Zeit in dem Netzwerk Covering Climate Now, auf Deutsch Jetzt über das Klima berichten. Auch bekannte deutsche Redaktionen haben sich entschlossen, dem Netzwerk mit über 500 journalistischen Partnern beizutreten: Der stern und die taz. Beide haben übrigens schon einmal ein Heft mit Fridays For Future herausgegeben. Zu dem Anlass hat stern geschrieben:

„FFF und den stern verbindet der unbedingte Respekt vor der wissenschaftlichen Erkenntnis. […] Wir räumten der Berichterstattung rund um das Coronavirus verständlicherweise viel Raum ein, anstatt uns weiter mit der anderen Überlebensfrage unserer Zeit zu beschäftigen. […] In der gesamten Redaktion gibt es niemanden, dem die existenzielle Bedrohung durch die Klimakrise nicht bewusst ist. […] Die Marke stern verpflichtet sich ab sofort, den Klimaschutz mit unseren publizistischen Mitteln regelmäßig zu unterstützen und als eines unserer Schwerpunktthemen zu verstehen.“

Und ein solches publizistisches Mittel ist eben auch die Wahl einer Sprache, die die Krise als solche benennt und den wissenschaftlichen Konsens anerkennt. Politik, radikal oder Meinungsmache, liebe BILD, ist das nicht, sondern einfach ein möglichst korrekter Begriff für Tatsachen.

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