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Konrad Adenauer und seine Umweltpolitik

Er war der erste Bundeskanzler Deutschlands. Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung hat sich nach ihm benannt. Die Westbindung und der wirtschaftliche Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg sind Erfolge, die man ihm zurechnet. Wie er zu Umweltschutz gedacht hat, wissen die wenigsten. Wir haben Mails an Expert*innen, Weggefährten und Verwandte geschrieben, Interviews geführt, Archivmaterialien angeschaut, Bücher durchforstet und versucht, eine Antwort zu finden.

Der Grüngürtel Kölns – eine „Lebensnotwendigkeit“

Von 1917 bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten war Konrad Adenauer Oberbürgermeister der Stadt Köln. Eine der bekannteren Errungenschaften Adenauers war die Umstrukturierung des Kölner Festungswalls in einen Grüngürtel. Der Festungswall bestand aus zwei Festungsringen. Der innere Ring wurde entfernt, das Abreißen des zweiten Ringes wurde spätestens im Jahr 1919 geplant. Oberbürgermeister Adenauer war strikt für die Anlegung eines Grüngürtels. Er schreibt immer wieder in Anträgen und Briefen von einer „Lebensfrage“. Die Großstadt müsse reformiert werden – wie, das sei leicht erkennbar, wenn man sich die Gründe der Schäden in Großstädten klarmache. Großstädte seien Häusermeere und Steinhaufen, die immer mal wieder von künstlichen Grünanlagen unterbrochen seien. Sie seien zu konzentriert. Großstädter seien Höhlenbewohner, weil sie keine Erde mehr riechen, kein Blühen und Welken der Natur bemerken und keinen Horizont mehr sehen könnten. In dieser Hinsicht kranke Großstädte vergifteten laut Adenauer das Volk. Köln sei in einer gefährlichen Lage und es gebe einen Ausweg: den Grüngürtel. Die „Festung“ Köln solle nicht wiederherstellbar sein. Es wurden Architekten für den Grüngürtel bei einem Wettbewerb ausgewählt; vieles fand unter äußerster Geheimhaltung statt. Auf eine Anfrage von Seiten Wilhelm Sollmanns (SPD) bezüglich einer öffentlichen Stellungnahme Adenauers zum Projekt „Grüngürtel“ antwortete der Oberbürgermeister: „Ich werde in einem größeren Artikel, dessen Aufnahme den Zeitungen vor der Wahl […] nicht zugemutet werden kann, in einer ausführlichen Weise darlegen, daß es sich bei diesem Projekte um eine Lebensnotwendigkeit für Köln handelt […]“. Vor der anstehenden Kommunalwahl war ihm eine öffentliche Diskussion um den Grüngürtel zu riskant. In vielen Städten verlief die Entwicklung einer Stadt gegenteilig. Nicht wenige kritisierten, als dann die konkreten Pläne öffentlich waren, Grünanlagen seien Geldverschwendung. Andere ärgerten sich über die Enteignung von Grundbesitzern, die auf dem Gebiet des geplanten Grüngürtels dann stattfinden müsste.

Innerer Grüngürtel heute

Jedem, den wir gefragt haben, fiel zuerst Adenauers Engagement für einen Grüngürtel, der im Laufe der Zeit auch vergrößert wurde, ein. Wieso war Adenauer so stark gegen eine übermäßige Verstädterung? Holger Löttel, Historiker bei der Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus in Bad Honnef-Rhöndorf, meint, Adenauer habe aus der Ethik des christlichen Schöpfungsverständnisses eine emotionale Bindung zur Natur gehabt. In der Publikation „Konrad Adenauer. Seine Zeit – Sein Werk“ (Historisches Archiv der Stadt Köln) wird geschrieben, dass Adenauer in seiner Kindheit eine große Verbundenheit zu seinem kleinen Garten verspürt habe. Ein bisschen Natur erschien ihm lebensnotwendig, man dürfe nicht die „Berührung mit der heiligen Erde“ verlieren. Außerdem sei eine Stadt voller einheitlich aussehender Häuser langweilig und unsozial. Wohnen auf neuen Bauflächen könnten sich nur die Reichen leisten. Häufig bezog Adenauer sich dabei auf Pläne des Stadtbaurates Carl Rehorst, die vor seiner Zeit als Oberbürgermeister entworfen wurden. Nach diesen Plänen sollte Köln zwar vergleichsweise viele Naturräume erhalten, aber nicht genügend für Konrad Adenauer. Der Entwurf des Städteplaners Fritz Schumacher setzte sich gegenüber den anderen Entwürfen durch und Adenauer bekam seinen Grüngürtel.

Adenauers Verhältnis zur Natur

„Aus unserer Sicht scheint die Adenauersche Vision der „grünen Stadt“, die damals nicht zeitgeistkonform war, als klimapolitisch zukunftsweisend. Im Hinblick auf die urbane Planung wurde Adenauers Denken aber weniger von ökologischen Kategorien, sondern von sozialen und sozialpolitischen Erwägungen bestimmt. Es ging ihm vorrangig um die Lebensqualität insbesondere auch der Arbeiterklasse in der modernen Großstadt.“ ~ Holger Löttel

Adenauers Naturverbundenheit ging weit. Er war Abonnent der Zeitschrift „Kosmos“, in der über Pflanzen und Tiere geschrieben wurde. Konrad Adenauer liebte Rosen und Blumenkataloge und ist mindestens in seiner Zeit als Bundeskanzler jeden Tag spazieren gegangen. Sein Mitspaziergänger Hans Globke wurde mit einem „Wollen wir, Herr Globke?“ eingeladen, mit durch den Park des Palais Schaumburg zu gehen. Urlaub machte er in seiner Kölner Zeit im Wallis in der Schweiz und wanderte, später im Schwarzwald, dann wieder in der Schweiz und dann an italienischen Seen. Aber Naturverbundenheit hieß für Adenauer nicht, ein sonderlich großes Bewusstsein für Artenschutz gehabt zu haben.

An seinen Nachbarn schrieb er folgenden Brief:


„Sehr geehrter Herr Keiser!

Seit gestern schwärmen Ihre Bienen wieder derartig über unser Grundstück und unser Haus herum, daß wir weder im Garten arbeiten noch den Weg zum Hause benutzen können. Gestern haben meine Angehörigen sich nicht aus dem Hause wagen können. Die Fenster mußten geschlossen werden vor den angriffslustigen Tieren.

Ich habe Sie wiederholt schon gebeten, dafür zu sorgen, daß sich diese Dinge nicht wiederholen, ohne daß Sie bis jetzt darauf reagiert haben. Ich fordere Sie nunmehr auf, binnen 3 Tagen mir zu erklären, daß Sie den angriffslustigen Bienenschwarm, um den es sich hier handelt, entfernt haben. Ich werde sonst polizeiliche Hilfe gegen Sie in Anspruch nehmen.

Hochachtend!“


Er drohte mit der Polizei, weil ihn die Bienen des Nachbarn störten. Ein anderes Beispiel ist ein Protokoll einer Kabinettssitzung  aus seiner Zeit der damaligen Bundeshauptstadt Bonn von 1957. Franz Josef Strauß (CSU) empfiehlt, einige Flächen für militärische Manöver zu nutzen. Adenauer betont: Naturparks für Manöver zu nutzen, sei für ihn nicht tragbar. Der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Walter Hallstein (CDU), erwidert, es gäbe doch 700 Naturschutzgebiete. Konrad Adenauer klärt das Missverständnis auf. Natürlich meine er nicht Manöver auf Naturschutzgebieten. Die hätten den Schutz seltender Pflanzen zum Ziel. Er spreche von Naturschutzparks, die der Erholung von „Städtern“ dienten. Diese müssten in jedem Falle von Manöverübungen ausgenommen werden.

Wichtig dabei zu bedenken ist, dass das Artensterben damals nicht so sichtbar war wie heutzutage.

Adenauers Garten heute (© StBKAH)

„Ich würde die These wagen, Adenauer besaß ein innigeres Verhältnis zur Natur als alle bisherigen Kanzler nach ihm.“ ~ Holger Löttel

Nicht nur als Politiker, wenn er von der Verwandlung einer „verkrüppelten“ Großstadt zu einer „modernen“ durch den Grüngürtel spricht, sondern auch im Privaten ist Adenauers Liebe zur Natur bemerkbar. Mit einer Hingabe schreibt er an seinen Sohn, der während des Zweiten Weltkrieges im Wehrdienst ist (Adenauer muss als Gegner der Nationalsozialisten zeitweise sogar ins Gefängnis gehen) über seine Apfelbäume, über Frostperioden. Am 20. 11. 1941 „blüht noch allerhand im Garten, einige Rosen,  Chrysanthemen, Veilchen, Stiefmütterchen und vor allem die schönen Christrosen“. Am 11. 12. „haben wir“, so schreibt Adenauer an seinen Sohn, „zum ersten Male von dem von Dir gepflanzten Grünkohl gegessen, er war ganz ausgezeichnet, er ist auch ziemlich gewachsen, er bedeutet eine wertvolle Bereicherung unseres Tisches.“ Gestern sei eine Karre Dünger gekommen. Das neue Obst sei gepflanzt. „Du wirst staunen!“

Apropos Dünger: Adenauer forderte mehr künstlichen Dünger um die landwirtschaftliche Produktion hochzukurbeln. Das war üblich für die Zeit.

Soja-Wurst bis Feinstaubfilter

Eine bekannte Erfindung Adenauers ist die Sojawurst. Adenauer war längere Zeit ein leidenschaftlicher Erfinder und versuchte Sojawurst patentieren zu lassen. Das misslang in Deutschland, trotz der Bescheinigungen des Direktors am Kölner Krankenhaus, dessen Patienten die Wurst gemocht und vertragen haben. Die Wurst war nicht vegan, sondern bestand neben Soja auch aus Fleischbrühe oder Fleischbrei. Fleisch, das damals rar war, hätte vermutlich bei einem Erfolg der Wurst eingespart werden können.

Patent auf Sojawurst (©StBKAH)

Auch entwarf Adenauer auf dem Papier Feinstaubfilter für die Industrieanlagen oder Zylinder von Eisenbahnen. Für Autoabgase hatte er ähnliche Ideen, die mit den „Adlerwerken“ besprochen, aber nicht umgesetzt wurden.

Erfindung gegen Luftverschmutzung

Dass Adenauer ein Bewusstsein für die Verschmutzung der Umwelt hatte, wird durch seine Erfindungen deutlich. Insbesondere gute Luft war ihm wichtig, weil er im Wallis bemerkt hat, wie viel besser dort die Luft im Vergleich zu der in Köln war. Der in der Zeit des Nationalsozialismus aus seinem Amt entfernte Adenauer hatte vermutlich Zeit, atmete die Luft in der Eifel und dachte nach. Er wollte sich mehr über das Thema informieren, schrieb dem Leiter des Hygienischen Instituts der TH Dresen, Herrn Süple, an und erkundigte sich nach Literatur über Luftverschmutzung. Dieser antwortete recht ausführlich. Herr Adenauer ließ sich inspirieren zu einer weiteren Erfindung und schrieb einen Brief, um ein Patent auf folgende Idee zu bekommen: „Die schädlichen Folgen der Verunreinigung der Luft durch die Abgase, den Ruß usw. der Feuerstellen sind bekannt“, schreibt er und erklärt das Prinzip einer Einrichtung, die die Abgase, den Ruß usw. der Feuerstellen, also Kamine, nach unten in die Kanalisation leiten soll. An einigen Stellen sollte auch die Luft gefiltert und deren übrige Wärme wiederverwertet werden.

Dieser Entwurf eines Ableitens von Kaminrauch in die Kanalisation, den Adenauer geschrieben hat, wurde letztendlich vor allem abgelehnt, da die Kanalisation dadurch nicht mehr begehbar gewesen wäre.

Auf der „Bundesvertreterversammlung der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU/CSU“ sagte Adenauer im Jahr 1960:

„Lassen Sie mich noch zwei Sachen hinzufügen, die ich Ihnen ans Herz legen möchte: Die Sorge für gutes Wasser und für frische Luft. Das sind Dinge, die sind genauso wichtig wie das richtige Bauen und das gute Wohnen. Was hilft es Ihnen, wenn Sie in guten Wohnungen leben, atmen aber täglich eine verseuchte Luft ein? Sie müssen mit aller Entschiedenheit von den Machtmitteln, die Sie als Gemeindevertreter haben, auch gegenüber wirtschaftlichen Unternehmen Gebrauch machen, die das Wasser und die Luft verderben. Ich bin sehr dafür, dass wir wirtschaftlich aufsteigen, aber nicht auf Kosten der Menschen. Die Gesundheit der Menschen steht an erster Stelle und nicht der Profit.“

In einer Kabinettssitzung aus dem Jahr 1963 berichtete Walter Bargatzky (Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheitswesen – BMG) von den gesundspolitischen Folgen der Kohleenergie. Man habe es in England und in den USA geschafft, Kohle zu vergasen, wodurch die Verschmutzung der Luft reduziert werde. Adenauer bittet darum, dass an der Thematik schnell im BMG gearbeitet werde.

Kohle, Öl und futuristisches Atom

„Adenauer war, was die Wirtschafts- und Energiepolitik betrifft, ganz und gar ein „Mann der Kohle“. Bereits als Oberbürgermeister von Köln hatte er persönliche und mandatsmäßige Kontakte zu den großen Fördergesellschaften an der Ruhr und im Rheinischen Braunkohlerevier unterhalten. Nach dem Zweiten Weltkrieg fungierte vor allem die Steinkohle als Schmierstoff des westdeutschen „Wirtschaftswunders“ und brachte viele Menschen in Lohn und Brot. Als Ende der 1950er Jahre die Kohlekrise im Ruhrgebiet einsetzte, machte sich der Kanzler für Stützungs- und Subventionsmaßnahmen stark, weil er die sozialen Folgen von Massenentlassungen im Bergbau und nicht zuletzt eine politische Destabilisierung fürchtete. Obgleich die Verschmutzungen an Ort und Stelle offenkundig waren, galten die fossilen Energieträger als gesellschaftlich akzeptiert. Ein diesbezügliches Umdenken setzte erst später ein.“ ~ Holger Löttel

Die einzige „erneuerbare“ Energieform, die zu der Zeit Adenauers im Gespräch war, war Atomkraft. Sie galt als kostengünstig und als Energieform, die einen unabhängig von anderen Ländern machen könnte.

„Bei alledem spielte die Kernenergie keine konkrete Rolle im energiepolitischen Kalkül, sondern war vornehmlich Projektionsfläche für die vermeintlich strahlende Zukunft einer autonomen, den Weltmarktzwängen enthobenen Energiequelle. Zwar wurden während Adenauers Kanzlerschaft die Weichen für den Aufbau der bundesdeutschen Atomwirtschaft gestellt; im großen Stil gingen die Reaktoren aber erst später ans Netz.“ ~ Holger Löttel

Im Jahre 1955 wurde dann ein Bundesministerium für Atomfragen eingerichtet. Der Bundeskanzler hielt vermutlich eine übertriebene Atomkraft-Euphorie für nicht hilfreich. Später, 1967, hat Adenauer sich klar für Atomkraft ausgesprochen, weil diese konkurrenzlos günstig sei. In einem Kabinettsprotokoll aus dem Jahr 1959 findet sich jedoch ein Hinweis darauf, dass Adenauer damals noch einige Skepsis gegenüber Atomkraft gehabt haben könnte. Als Ergebnis einer Besprechung mit zwei Ministern, zwei weiteren politischen Persönlichkeiten und Adenauer wird festgehalten, dass zwar viele Fragen zur Atomkraft geklärt worden seien, es aber noch „gewisse technische Risiken“ gebe, für die die Bundesregierung bisher keine Verantwortung übernehmen könne. Wer diese technischen Risiken angesprochen hat, ist in dem Protokoll nicht genauer festgehalten.

Ein Enkel von Konrad Adenauer, der CDU-Politiker in Gütersloh ist, hat uns bezüglich der Haltung von Konrad Adenauer zu Atomkraft geschrieben:

„Ich kann […] nicht viel beitragen, nur so viel, dass man ja damals zum Beispiel dem Thema Atomenergie viel offener gegenüber war als heute. Und im Nachhinein betrachtet ist ja die Atomenergie nach wie vor die Energie, die aus meiner Sicht am klimaneutralsten ist und am wenigsten CO₂ verbraucht. Das war möglicherweise ein Aspekt, der damals noch nicht die Rolle gespielt hat, sondern eher ein, wenn auch nicht gewollter, Nebeneffekt war.“ ~ Sven-Georg Adenauer

Klara Theil war Köchin von Konrad Adenauer und kannte ihn aus den Jahren, in denen er noch nicht Kanzler war. Sie ist mittlerweile 106 Jahre alt und konnte aus Adenauers Privatleben berichten. Er besaß überall elektrisches Licht und habe häufig vergessen – besonders im Stall -, das Licht auszumachen.

Adenauer-Statue in Berlin

Adenauer – Wie ist er nun umweltpolitisch zu bewerten?

Adenauer lebte in einer anderen Zeit als heute. Man sollte ihn nicht an heutigen Maßstäben bewerten. Kohle war Standard. Nach zwei Weltkriegen lagen große Teile Deutschlands in Trümmern und man war mit dem Wiederaufbau beschäftigt. Es gab Frauen, die als Trümmerfrauen arbeiteten. Es herrschte generell Energieknappheit, Erneuerbare kannte man nicht wirklich. Die Folgen der Zerstörung der Umwelt waren schon damals sichtbar, vielleicht sogar noch sichtbarer als heute, aber man hat die Thematik eher als ärgerliche Nebenwirkung, die erstmal hintangestellt werden müsse, angesehen, erzählte uns Matthias Zöller, Archivar beim Kölner Stadtarchiv. Der wirtschaftliche Aufschwung war lange Zeit das wichtigere Thema.

So sehr wir uns bemüht haben, wir haben keine politische Aussage aus Adenauers Zeit zur Klimathematik gefunden. Klimapolitik war damals kein Thema. Früher hätte man die Inhalte des Artikels auch nicht mit „Umweltpolitik“ betitelt. Man hat Gewässerverschmutzung, Schutz und Erholung des Menschen, Luftverschmutzung, Artensterben und Abgase eher als einzelne Themen betrachtet. Ein Wort wie „Umweltverschmutzung“ wurde damals kaum genutzt. Für seine Zeit war Adenauer dennoch sehr modern und dachte in Ansätzen bereits nachhaltig. Vor mehr als 100 Jahren den Wert von Grünflächen in Städten nachvollziehen zu können und auch die Gesundheitsrisiken von Luftverschmutzung zu erkennen, ist beachtlich. Das Prinzip der „Schwammstadt“ ist moderner denn je, doch Adenauer hat es schon vor langer Zeit vertreten, während sich heutzutage nicht wenige konservative Politiker*innen einer lebenswerteren Stadt verweigern. Autos gab es noch nicht so viele wie heutzutage. Es wurden zwar nicht nur einseitig Autos gefördert, aber das Ideal der „autogerechten Stadt“ bestand.

Köln wurde unter Adenauer zum Vorbild für die Müllabfuhren in riesigen Städten wie Moskau und Leningrad (heute „St. Petersburg“). Die Abfallwirtschaft in Köln war eine der ersten und modernsten. Von Widerständen ließ Adenauer sich nicht abschrecken solange er von seinem Projekt überzeugt war.

Adenauer argumentierte beim Grüngürtel mit der zu erwartenden zukünftigen Lebensqualität, die ohne Grüngürtel verloren ginge. Auch wenn die Kosten des Projekts kritisiert wurden, hat er sich durchgesetzt. Er sagte explizit: „Die Gesundheit der Menschen steht an erster Stelle und nicht der Profit.“ Man müsse sich da im Zweifel gegen die Wirtschaft durchsetzen. Mit diesen Standpunkten, mit dem Prinzip einer Schwammstadt, unterscheidet er sich von vielen anderen Politikern seiner Zeit. Christlich zu sein hieß für ihn, gemeinwohlorientiert zu sein und nicht wirtschaftliche Interessen vor „Lebensnotwendigkeiten“ oder die Gesundheit der Bevölkerung zu stellen. Konservativ zu sein, hieß für ihn Lebensgrundlagen zu erhalten beziehungsweise zu verbessern.

„Was die wirtschaftliche Entwicklung in der Nachkriegszeit betrifft, hätte sich Adenauer durchaus mehr Nachhaltigkeit gewünscht, aber eher aus gesellschafspolitischen und weniger aus ökologischen Gründen. […] In Erhards Augen konnte die Wirtschaft auch immer weiter wachsen, solange die Nachfrage der Konsumenten stimuliert und bedient wurde. […] Adenauer wiederum hat von der erfolgreichen Wirtschaftspolitik seines Ministers sehr profitiert. Gleichwohl sah er deren gesellschaftliche Auswirkungen kritisch. Den Massenkonsum der 1950er und 1960er Jahre (die sprichwörtlichen „Wellen“ wie Fresswelle, Reisewelle., usw.) hielt er für oberflächlich und ethisch problematisch. Er wünschte sich einen gezielteren, überlegteren und in die Zukunft gerichteten Konsum; deshalb war er auch ein großer Freund des Sparens. Abgesehen von öffentlichen Appellen zum Maßhalten hat sich diese Konsumkritik in der praktischen Politik nicht niedergeschlagen, weil das sehr unpopulär gewesen wäre und zu den Erfordernissen einer freien Marktwirtschaft auch schlecht gepasst hatte. Im Prinzip steckt hier aber durchaus ein Nachhaltigkeitsaspekt drin, der heute wieder sehr aktuell geworden ist, obgleich er damals anders motiviert war.“ ~ Holger Löttel

Er war anscheinend sehr pragmatisch und manche seiner Handlungen und Positionen vermisst man im Wahlkampf der aktuellen CDU. Trotzdem wurde unter ihm die Umwelt massiv belastet. Er hatte viel Kontakt zu Kohlelobbyisten und Wirtschaft. Die Umweltbelastung in Gewässern und Luft hat er als problematisch empfunden, aber stark an der Politik konnte und wollte er vermutlich nichts ändern.

Danke!

Danke an

  • Carsten Sick, Archiv Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus, Rhöndorf
  • Hans-Werner Frohn, Stiftung Naturschutzgeschichte, Königswinter
  • Hellmuth Linnemann, Bundesarchiv, Koblenz
  • Holger Löttel, Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus, Rhöndorf
  • Jennifer Andres, Parlamentsdokumentation, Berlin
  • Jürgen Rosebrock, Stiftung Naturschutzgeschichte, Königswinter
  • Kirsten Landmann, Haus der Geschichte, Bonn
  • Klara Theil
  • Konrad Adenauer und das Sekretariat, Kölner Haus- und Grundbesitzerverein, Köln
  • Matthias Zöller, Historisches Archiv, Köln
  • Sven-Georg Adenauer, CDU, Gütersloh

für die unfassbar netten Mails, die Sie uns geschrieben haben, an die Literaturtipps, Kontakttipps, Fragenbeantwortungen, Erklärungen und das Lob! Ohne Sie hätten wir den Artikel nicht schreiben können. Dafür gibt es bisher im Internet zu diesem Thema einfach zu wenige Informationen.

Quellen

Bildquellen:

  • Titelbild: Adenauer erklärt den Kölner Grüngürtel: © StBKAH
  • Innerer Grüngürtel heute: Von © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons), CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=89555330
  • Patent auf Sojawurst: © StBKAH
  • Adenauer-Statur in Berlin: By  OTFW, Berlin – Own work, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=8847499

Es kann vorkommen, dass einige Bücher nicht für den Artikel genutzt wurden. Sie wurden aber für die Recherche und Einarbeitung verwendet.

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