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Einweg? Mehrweg? Debatten brauchen Fakten




„Die Zahlen in dem, von Lidl in Auftrag gegebenen Gutachten sind neu, aktuell und keiner weiß, ob sie auch wirklich richtig sind. […] Keiner, weder die Einweglobby noch die Mehrweglobby will und wird das Geld in die Hand nehmen, um eine neue Öko-Bilanz zu erstellen und so wird weiterhin mit Zahlen aus 2010 gearbeitet.“ ~ Hans-Peter Kastner

Als wir die Antwort auf unsere Frage bezüglich Lidl bekamen, waren wir regelrecht entsetzt, wie ernst man genommen werden kann und wie nett Menschen sein können. Das Statement ist über 800 Wörter lang und an innerhalb eines halben Tages an einem Sonntag Mittag abgeschickt worden. Wir haben dieses Statement nun auch als Gastbeitrag veröffentlicht.

Bundesweit Einweg? Unrealistisch

„Als Geschäftsführer der Getränke Kastner GmbH habe ich im August 2019 alle Einwegplastik-Getränkeflaschen bei uns aus dem Sortiment genommen und nur noch Mehrwegflaschen angeboten. Dieser Schritt war ein wirtschaftliches Risiko, da der Einweganteil beim Verkauf von Getränken bundesweit bei weit über 50 Prozent lag. Zum anderem war er aber notwendig, da die unnötige Ressourcenverschwendung aufhören muss und wir ein vorbildliches Mehrweg System in Deutschland haben. In den vergangenen vier Jahren hat sich durch die öffentliche Aufmerksamkeit meiner Aktion unheimlich viel verändert und der Druck der Öffentlichkeit lies den Herstellern keine andere Chance als sich ins Zeug zu hängen und die Getränkeverpackungen umweltfreundlicher und ressourcenschonender zu gestalten.

Einige Hersteller werben mit einem Rezyklatanteil von 100 Prozent in ihren Plastikflaschen, was ein Riesenschritt ist und dringend notwendig war, aber ein hundertprozentiger Rezyklatanteil flächendeckend ist natürlich, allein schon aufgrund des Materialverlusts von zehn bis 20 Prozent während dem Recyclingprozess, nicht möglich.


Bei dem konkreten Fall „Lidl“ liegt der Materialverlust aufgrund sehr guter Einwegsystemem wohl bei ungefähr fünf Prozent. (Redaktion)


Ein reeller rPET-Anteil kann bei 70% liegen und muss das Ziel sein. Zudem muss Einweg-PET in Mehrweg-Transportkisten (wie zum Beispiel von „Petcycle“) vertrieben werden, um unnötigen, zusätzlichen Plastikmüll wie bei Lidls Sechser-Packen zu vermeiden. Was denkt ihr, wie viel Müll jährlich durch die Plastikfolierung zusammen kommt?!

Die Zahlen in dem, von Lidl in Auftrag gegebenen Gutachten sind neu, aktuell und keiner weiß, ob sie auch wirklich richtig sind.


Es wird nämlich ein hochmodernes Einwegsystem mit einem Mehrwegsystem von vor über zehn Jahren verglichen, weil es keine aktuelleren Daten gibt. (Redaktion)


Leider hat uns hier die Politik hängen lassen und ein eigentlich zugesagtes Budget von 400.000€ zur Erstellung einer unabhängigen und neutralen Ökobilanz zum Vergleich Mehrweg- vs. Einweg-Getränkeflasche noch freigegeben.


Im ersten Halbjahr 2023 sollte die Studie erscheinen, das ist aber nicht geschehen. (Redaktion)


Keiner, weder die Einweglobby noch die Mehrweglobby will und wird das Geld in die Hand nehmen, um eine neue Öko-Bilanz zu erstellen und so wird weiterhin mit Zahlen aus 2010 gearbeitet.

Einweg ist effizienter geworden

Man muss ganz klar sagen, dass es nach der Corona- und Energiekrise sowie der aktuellen Wirtschaftskrise einen klaren Trend zurück zum Einweg gibt, da hier die Discounter mit Ihren Billigprodukten den Markt regieren. Aber aktuell ist für viele Menschen der Preis relevant und wir müssen uns politische Maßnahmen überlegen, wie wir Menschen eine nachhaltige Ernährung zugänglich machen können, ohne das finanzielle Einbußen in Kauf genommen werden müssen. Zum Beispiel könnte man die Mehrwertsteuer für Mehrweg auf 7 Prozent senken und die für Einweg auf 19 Prozent belassen. Schon hätten wir einen Anreiz für Menschen Mehrweg zu kaufen, anstatt alles teurer zu machen und mit Strafabgaben unerschwinglich zu machen.

Generell muss man aber sagen, dass sich beide Verpackungen deutlich verbessert haben in Bezug auf ihre Umweltbilanz: Mehrwegflaschen sind leichter geworden. Die Prozesse und deren Energieverbrauch werden stetig verbessert – Selbst der Wasserverbrauch für das Reinigen der Flaschen ist bei modernen Anlagen deutlich geringer geworden. Aber auch die Einwegflasche hat sich deutlich verbessert: Durch die Steigerung von rPET-Anteilen in der Herstellung werden deutlich weniger neue Materialen und somit weniger Ressourcen verbraucht.

In meinen Augen gehört zur Nachhaltigkeit das große Ganze und da gehört auch der soziale Aspekt dazu, es gehört der Transportweg aber auch der Weg zum Einkaufen sowie die Warenverfügbarkeit. Durch den russischen Angriffskrieg und durch die Energiekrise ist die Herstellung von Glas immens teuer geworden: Eine Glashütte in der Ukraine wurde zerstört und in Deutschland ist es kaum wirtschaftlich machbar, die Glashütten weiterzubetreiben. Das bedeutet, dass die Einwegflasche, auch auf Grund dieser Parameter, wieder an Bedeutung gewinnt. Wir müssen uns damit anfreunden, dass wir beide Verpackungen parallel in den Regalen sehen werden, um eine Warenverfügbarkeit zu haben und unsere Nah-und Grundversorgung weiterhin zu gewährleisten.

Über 100.000 fehlende LKW-Fahrer bundesweit sorgen für ein immer schwieriger werdendes Verhältnis im Warenfluss, was auch den PET-Herstellern entgegenkommt, denn wenn ich 20 Paletten Mehrweg-Glasflaschen lade führt das zu 720 Kisten auf dem LKW, bei 20 Paletten mit Petcycle-Kisten sind es 1200 Kisten, die in einen LKW passen.  Dadurch sind die Frachtkosten für Glas deutlich teurer als für Petcycle. Wenn ich 20€ pro Palette und pro Fracht bezahle, liege ich bei 0,555 € pro Kiste Mehrwegglas und bei 0,333 € pro Petcycle-Kiste.


Hinzu kommt noch das Pfandautomatensystem bei Mehrweg und die Individualisierung der Glasflasche. Auch diese fördert Einweg, denn Individualflaschen können nur an den bestimmten Hersteller zurück gegeben werden, und nicht im Pfandautomaten zurückgegeben werden. (Redaktion)


Alles in allem würde ich sagen, dass wir, auch aufgrund der Pandemie und der aktuellen Krisen, die wir weltweit haben, eine gesunde Mischung aus Mehrweg und Einweg benötigen, um die Preise stabil zu halten und die Warenverfügbarkeit zu gewährleisten.

Als Verbrauchende habt ihr immer die Möglichkeit in Ihrem lokalen Fachhandel einzukaufen, um die Wege kurz zu halten. Ihr habt immer eine große Auswahl an Mehrwegprodukten und ihr werdet auch weiterhin die Möglichkeit haben, PET-Einwegflaschen zu kaufen – Aber Einwegflaschen, die heute deutlich besser sind als 2019.

Achtet darauf, regionale Produkte zu kaufen, verzichtet auf unnötige Verpackungsmaterialien wie z.B. Folie und kauft lokal ein.
Damit macht ihr einen Riesenschritt in die richtige Richtung und helfen mit die Ressourcen zu schonen, den lokalen Fachhandel und somit auch die Nahversorgung aufrecht zu erhalten.

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