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Das Problem mit der Kreislaufflasche

„Lidl sagt, das hier sei eine der ökologischen Flaschen – Ausgerechnet die hier: Eine Einwegflasche?!“ So fängt das Werbevideo von Lidl mit Günther Jauch an. Schritt für Schritt erklärt er in etwas weniger als vier Minuten, warum Einweg- plötzlich besser als Mehrwegflaschen sind. Ob das wirklich stimmt? Dazu äußern sich hier Bundesumweltministerium, ein Mehrweg-Getränkemarkt, Lidl selbst, ein Professor für Recycling und wir.


Für diesen Artikel haben konnten wir Kontakt aufnehmen mit dem Bundesumweltministerium, einem Mehrweg-Getränkemarkt, einem Professor für Recycling und Lidl. Deutsche Umwelthilfe und IFEU-Institut haben uns bisher nicht geantwortet.


Unterschied: Einwegflasche oder Mehrwegflasche

Was ist überhaupt eine Einwegflasche? Was ist eine Mehrwegflasche?
Mehrwegflaschen und Einwegflaschen können aus jedem typischen Material bestehen und gehören – im Normalfall – beide in den Pfandautomaten. Der große Unterschied: Beide können wiederverwendet werden. Einweg muss dafür aber jedes mal recycelt werden, Mehrweg kann bis zu 25 Mal (Glas sogar bis zu 50 Mal) wiederbefüllt werden. Dann erst muss es recycelt werden. Danach kann es wieder wiederbefüllt werden – und so weiter…

Lidl sagt…

Nach der kleinen Erklärung der Begriffe würde wohl der Großteil sagen, dass Mehrweg besser ist für die Umwelt. Recycling ist nun mal energieintensiver als Wiederbefüllen.

Schauen wir uns erstmal an, wie Lidl in ihrer 100-Millionen-Euro-Werbekampagne begründet, dass Einwegflaschen nachhaltiger seien. Erstmal werden die Flaschen klein gepresst. Dadurch wird viel Platz für den Transport gespart. Günther Jauch sagt staunend: „So passt nämlich in nur einen LKW wofür man bei Flaschen in Kästen ganze 26 LKW bräuchte, was dann natürlich auch 26 mal so viel CO₂-Verbrauch bedeutet.“ Inhaltlich macht das Sinn, grammatikalisch weniger. Dann schreddert und wäscht man die Flaschen. Letztendlich werden die ganzen Plastikteile zu neuen Flaschen verarbeitet. Diese „Flaschen“ sind aber sehr klein und sehen so aus:
„Die werden nur deshalb so klein hergestellt, damit mal wieder deutlich mehr von ihnen auf einen LKW passen.“ Günther Jauch trägt während er redet so viel von diesem sogenannten Granulat, dass er sozusagen acht Kästen Flaschen trägt. „Machen Sie mir das im richtigen Leben mal nach!“

„Mittlerweile haben wir ein Produktionsnetzwerk von fünf Abfüllwerken in Deutschland geschaffen, an denen wir unsere Getränke (Saskia und Freeway) in Kreislaufflaschen abfüllen. Dadurch halten wir die Fahrtwege bei der Auslieferung befüllter Flaschen im regionalen Bereich bei durchschnittlich circa 180 Kilometern. Mit dem Aufbau neuer Recycling- und Kunststoffstandorte haben wir auch die Entfernungen für die Rücktransporte der leeren Flaschen reduziert.“

Nun werden die Daten des IFEU-Instituts präsentiert. Das IFEU-Institut arbeitet unter anderem für das Umweltministerium und wurde von Lidl beauftragt zu errechnen, welches System besser sei. „Das IFEU-Institut hat errechnet, dass die Kreislaufflasche mindestens 20 Prozent CO₂ gegenüber dem untersuchten PET-Mehrweg einspart. Gegenüber marktüblichen Glasmehrwegflaschen wird der CO₂-Ausstoß sogar fast halbiert.“

Professor Daniel Goldmann, Professor für Recycling an der TU Clausthal, hat uns über die Glaubwürdigkeit der Werbung Folgendes geschrieben:

„Die können das jetzt tatsächlich [alles recyceln], da hier ein großer Handelskonzern (Lidl/Schwarz-Gruppe) einen großen Entsorger und Verwerter (Tönsmeier-Gruppe) gekauft hat (heißt jetzt PreZero) und damit vom Flaschenhersteller über Abfüller, Handel, Rücknahme und Recycling alles in einer Hand hat.“

Lidls Flaschen können also recycelt werden. Lidl hat angeblich wegen der Nachhaltigkeit nur Einwegflaschen im Sortiment. Ob die „Kreislaufflasche“ aber in dem Fall die nachhaltigste Variante ist, ist noch nicht geklärt.

Kritiker*innen sagen…

Recycling führt immer zu Materialverlust. Auf dem Weg zur Kreisslaufflasche gehen laut Deutscher Umwelthilfe ungefähr fünf Prozent des Materials verloren. Das muss in Fällen wie bei Lidl entweder durch Neuplastik oder durch anderes recyceltes Plastik ersetzt werden – durch recyceltes Plastik von Kaufland. Dass das, wenn alle Discounter und Supermärkte so handeln würde, nicht mehr funktionieren kann, meint auch Hans-Peter Kastner:

„[…] ein hundertprozentiger Rezyklatanteil flächendeckend ist natürlich, allein schon aufgrund des Materialverlusts […] während dem Recyclingprozess, nicht möglich. […] Ein reeller rPET-Anteil kann bei 70% liegen und muss das Ziel sein.“

Er führt den ersten Getränkemarkt in Deutschland, der nur noch Mehrwegflaschen anbietet, wurde zum Vorreiter seiner Branche und bekam viel mediale Aufmerksamkeit. Auch ein Sprecher des Bundesumweltministerium schreibt uns:

„Es ist ökologisch besonders gut, wenn die dabei entstehenden „Rezyklate“ – also das Grundmaterial, das aus den alten Flaschen entsteht – für die Herstellung neuer Flaschen und Dosen verwendet werden. So entsteht ein geschlossener Kreislauf. Allerdings muss auch in einem solchen Kreislauf immer wieder neues Material hinzugefügt werden, also z.B. Flaschen von anderen Herstellern. Denn bei der Sammlung und beim Recycling gehen oft Flaschen und Dosen oder auch Bestandteile der Flaschen und Dosen verloren. Und natürlich kostet Recycling auch viel Energie. Mehrwegflaschen dagegen können viele Male wieder neu befüllt werden. Damit wird verhindert, dass überhaupt Abfall entsteht oder dass es Materialverluste gibt.“

Das häufig vom Umweltministerium beauftragte IFEU-Institut hat – wie gesagt – gleichzeitig auch die Studie durchgeführt, die Lidl in Auftrag gegeben hat und geschrieben:

„Es ist ausdrücklich festzuhalten, dass die Ergebnisse der hochoptimierten PET-
Einweg Kreislaufflaschen nicht auf die Gesamtheit der am Markt befindlichen PET-
Einwegflaschen übertragen werden können. Insbesondere kann ein Materialein-
satz von 100 % rezykliertem PET im deutschen Markt nicht für alle Marktteilnehmer
erreicht werden.“

An dieser Studie und damit an der Arbeit des IFEU-Instituts gibt es auch einige Kritik:

„Die Zahlen in dem, von Lidl in Auftrag gegebenen Gutachten sind neu, aktuell und keiner weiß, ob sie auch wirklich richtig sind.“

sagt Hans-Peter Kastner. Auch die Deutsche Umwelthilfe hat in ihrem Faktencheck zu der „Kreislaufflasche“ geschrieben, dass in der Studie ein hochmodernes Einweg-Recyclingsystem mit einem teils zehn Jahre alten Mehrweg-Recyclingsystem verglichen werde.

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass verschieden große Flaschen miteinander verglichen wurden. In dem Video mit Günther Jauch und auf der entsprechenden Internetseite wurden die jeweils handelsüblichen Flaschen im Bereich Mehrweg und Einweg genauer betrachtet: Eine 0,7-Liter-Mehrwegflasche (Glas), eine 1-Liter-Mehrwegflasche (PET) und eine 1,5-Liter-Einwegflasche (PET) wurden miteinander verglichen – Und, ja, sie wurden allesamt auf 1.000 Liter hochgerechnet und die Studie ergab, dass Einweg deutlich nachhaltiger ist. Grundsätzlich sind aber zum Beispiel durch Etiketten und Deckel die großen Flaschen beim Hochrechnen im Vorteil und nachhaltiger, denn bei beispielsweise fünf großen und zehn kleinen Flaschen benötigen die zehn kleinen Flaschen mehr umweltschädliche Deckel. Die vierte Flasche, die angeschaut wurde, von der Lidl in der Werbung aber nichts erzählt, ist aus Glas und hat ein Füllvolumen von 0,5 Litern. Im Vergleich mit der 0,7-Liter-Mehrwegflasche schneidet da tatsächlich Mehrweg besser ab! Die Größen der Flaschen scheinen also wirklich eine Auswirkung auf die CO₂-Bilanz zu haben.

Am Ende der Studie wird das auch betont: „Die 0,5 l PET-Einwegflasche zeigt gegen-
über der 1,0 l PET-Mehrwegflasche deutliche Nachteile, aber gegenüber der 0,7 l
Glas-Mehrwegfalsche tendenziell eher bessere Ergebnisse über alle Wirkungskate-
gorien hinweg. Bei der Interpretation der Ergebnisse ist das unterschiedliche Füll-
volumen, das auch unterschiedliche Bedürfnisse anspricht, zu berücksichtigen.“

Wenn Lidl also auf ihrer Website also schreibt: „Die Kreislaufflasche von Lidl wird mit zwei ausgewählten Mehrwegflaschen verglichen, einer 1,0-Liter- PET-Pool-Mehrwegflasche (der Genossenschaft Deutscher Brunnen GDB) und einer 0,7-Liter-Glas- Pool-Mehrwegflasche (GDB).“ ist wäre das in der Logik zwar richtig, korrekter wäre aber, wenn sie von allen dreien schreiben würden.

Fazit

Lidls „Kreislaufflasche“ ist ein Ausnahmefall und wird sicher nicht sonderlich umweltschädlich sein. Dass sie aber eine der ökologischten Flaschen ist, kann man aber nicht mit Gewissheit sagen. Es wurden veralte mit hochmodernen, neuen Daten verglichen und Flaschen wurden einem vorbehalten. Auch, wenn Lidls Kampagne suggeriert, dass das gesamte Einwegsystem besser sei als das Mehrwegsystem: Es gibt zahlreiche Studien, die anderes besagen. Lidls Einwegystem lässt sich durch die farbigen Flaschen von Lidl, die nicht mit anderen durchsichtigen Flaschen vermischt werden können und den Materialverlust momentan nicht nachhaltig auf ganz Deutschland ausweiten. Trotzdem ist auch das Mehrwegsystem nicht immer gleich ökologisch. Es gilt: Je kürzer die Transportwege, desto besser für die Umwelt.

Quellen

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