Peter Maffay ist der erfolgreichste Künstler in den deutschen Charts. Über 50 Jahre ist er einer der Top-Musiker Deutschlands. In diesem Jahr beendet er seine Karriere schrittweise. Maffay scheut sich nicht vor politischen Äußerungen. Gesellschaftliches Engagement ist ein wesentlicher Bestandteil seines Wirkens, ob man sich Tabaluga anschaut oder seine Stiftung. Mit einer erstaunlichen Deutlichkeit hat sich der Sänger in unserem Interview zur Umweltpolitik positioniert.


Das Interview wurde schriftlich geführt, was zur Folge hatte, dass wir leider keine Rückfragen stellen konnten. Nicht alle unserer Fragen wurden beantwortet. 

„Dann geben wir uns selbst und unseren wunderschönen Planeten auf.“

Umwelt-Magazin: Wir haben uns vor einiger Zeit beispielhaft mit einem Schüler*innen-Wettbewerb befasst: „My School Goes Green„. Warum unterstützen Sie den Wettbewerb?

Peter Maffay: Junge Menschen artikulieren ihre Lebensziele anders als die „ältere Generation“. Sie haben das Leben vor sich und damit andere Prioritäten. Das zu achten und zu beachten, ist Ziel von „My School Goes Green“. Die kommenden Generationen in Entscheidungsprozesse einzubinden, ist die Aufgabe und Verpflichtung unserer Gesellschaft. Darauf arbeitet „My School Goes Green“ hin.

Umwelt-Magazin: Welches Gefühl empfinden Sie, wenn Sie an die Klimakrise und die Zukunft denken?

Peter Maffay: Die Klimakrise ist das absolut übergeordnete Thema. Kein Aspekt in der Zukunft kommender Generationen ist wichtiger. Alle anderen sind untergeordnet. Wenn wir das nicht realisieren, verpassen wir den „Point of no return“. Dann geben wir uns selbst und unseren wunderschönen Planeten auf.

Heal the world

Umwelt-Magazin: Welcher Song auf der Welt fällt Ihnen ein, wenn Sie an die ökologischen Herausforderungen denken?

Peter Maffay: Michael Jackson – Heal the world.



Umwelt-Magazin: Was halten Sie von einem Tempolimit und welche Tempobegrenzung ist ihrer Meinung nach realistisch?

Peter Maffay: Wenn wir etwas wollen – z. B. in der Dimension von Tempolimit – ist es auch realisierbar. Es liegt also an uns – wenn wir es wollen und für sinnvoll halten – es umzusetzen.

Frieden

Umwelt-Magazin: Wenn Sie Bundeskanzler wären, welche Maßnahmen würden Sie als erstes umsetzen?

Peter Maffay: Frieden zu schaffen, statt Konflikte zu befeuern. Mit dem Frieden ist es wie mit dem Klima. Ab einem gewissen Punkt sind Prozesse nicht mehr rückgängig zu machen, weil die Eigendynamik zu groß ist. Wir enden in der Eskalation und ihren Folgen. Wir hätten die Möglichkeit, aus Erfahrungen der wahren Vergangenheit zu lernen. Wenn wir klug sind, tun wir das.

Umwelt-Magazin: Was sollte man aus dem Song „Eiszeit“ für sich mitnehmen?

Peter Maffay: Diese Vision darf nie Realität werden. Es wäre das Ende.



Der aktuelle Klima-Diskurs

Umwelt-Magazin: Sie haben mit Hinblick auf die AfD mal gesagt, die Gesellschaft müsse wieder mehr aufeinander zugehen und weniger ausgrenzen. Wie könnte das Ihrer Meinung nach ganz konkret gelingen und kann man dadurch auch den Klima-Diskurs in Deutschland retten?

Peter Maffay: Der Dialog ist der einzige zukunftsweisende Weg. Die radikale Ausgrenzung ist wie eine zerstörte Brücke, über die keiner mehr auf den anderen zugehen kann… Wenn wir uns dieser Möglichkeit versperren, erstarren wir und schaffen keine Lösungen.

Umwelt-Magazin: Wie sollte man Ihrer Meinung nach mit Klimaleugnern umgehen?

Peter Maffay: Klimaleugner ignorieren die Realität. Sie verschließen sich vor Erkenntnissen und Fakten, die durch NICHTS widerlegt werden können. Wir müssen aktionsfähig bleiben, um lebensnotwendige Entscheidungen herbeiführen zu können. Das schafft man nur, einerseits und nach wie vor, mit den richtigen, belastbaren Argumenten und in der Folge durch Mehrheiten in der Gesellschaft.

Umwelt-Magazin: Danke dafür, dass Sie uns so nett auf einige unserer Fragen geantwortet haben. Danke für das Interview. Wir haben uns sehr gefreut, als wir Ihre Antwort bek0mmen haben.


Bildquelle:

Bild von Peter Maffay im Beitragsbild: Von Foto: Stefan Brending, Lizenz: Creative Commons by-sa-3.0 de, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=97802917

Wie viele andere Menschen, die sich engagieren und dafür das Internet als Medium verwenden, sind auch wir immer mal wieder Ziel von Anfeindungen, Verleumdungen und Hate Speech.

Wenn es irgendwelche Zweifel an unserer Integrität oder der Richtigkeit der von uns verbreiteten Inhalte geben sollte: Schreibt uns bitte direkt über das Kontaktformular auf unserer Website.

Schon vor längerer Zeit haben wir mit Klimaforscher und -kommunikator Mojib Latif über fehlende Aufmerksamkeit dem Thema „Klimakrise“, seine Arbeit und seine Motivation gesprochen. Dass Latif sich eine halbe Stunde Zeit genommen hat, freut uns sehr. Wir haben ihn gefragt, was er eigentlich von Talkshows hält und wie man mit dem Rechtsruck unserer Gesellschaft umgeht.

Inhalt

Wir haben uns bewusst dagegen entschieden, viel über den Inhalt von Interviews zu schreiben oder viel zu zitieren, da unsere Interviews als Gesamtes gesehen werden sollten und nicht als eine Sammlung von nicht zusammenhängender Fragen. Würden wir an dieser Stelle Teile des Interviews zitieren, würden wir anderes nicht zitieren. Man könnte denken, dass andere Aussagen weniger wichtig sind. Schaut euch gerne das gesamte Interview an.

Interview



 

Wir haben Professor Heinrich Detering interviewt. Er ist ein renommierter Literaturwissenschaftler und hat an verschiedensten Universitäten – zum Beispiel in Wuhan, Washington, Aarhus, Kiel und Göttingen – gelehrt. Er war Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und hat unter anderem das Große Verdienstkreuz mit Stern verliehen bekommen. Nicht nur als Wissenschaftler, sondern auch als Schriftsteller, arbeitete er. In drei seiner Bücher geht es um die ökologischen Gedanken großer Autor*innen. Ein anderes Buch befasst sich mit der Rhetorik der AfD. 

Inhalt

Eine Stunde haben wir über Ökologie in der Literatur  und die Rhetorik der AfD geredet. Wir haben darüber gesprochen, ob er sich als links-grün-versifft betrachtet und wieso er Goethe, wenn er sich für jemanden entscheiden müsste, der umweltbewussteste Schriftsteller war. Heinrich Detering hat uns erklärt, wie schon vor Jahrhunderten ökologische und unglaublich aktuelle Themen präsent waren. Damit meint er keine unbekannten Personen, sondern weltbekannte Schriftsteller, die zu dem Thema schrieben.

Wir haben uns bewusst entschieden, nicht so viel Inhaltliches zu verraten, weil es immer dazu führt, dass wichtige Gedanken verloren gehen. Wir müssten uns entscheiden, etwas zu gewichten und das wollen wir nicht. Das Interview ist als etwas Zusammenhängendes zu sehen und nicht als Haufen verschiedener Fragen, die losgelöst voneinander betrachtet werden können.

Interview



 

Der Antrag des SSW ist gescheitert. Im Landtag fand sich keine Mehrheit für eine Bundesrats-Initiative, obwohl sich Ministerpräsident Daniel Günther im Interview mit uns offen für ein Tempolimit geäußert hat. Wir haben uns die Reden der Abgeordneten im Nachhinein nochmal angehört und beschlossen, diesen Fakten- und Argumentationscheck zu veröffentlichen.

zum Interview mit Daniel Günther

Worauf wir uns beziehen

Unser Fakten- und Argumentationscheck bezieht sich auf die Reden von Lukas Kilian, Claus Ruhe Madsen, Bernd Buchholz, Nelly Waldeck, Sybilla Nitsch und Niclas Dürbrook. In allen Reden außer bei der von Niclas Dürbrook haben wir missverständliche oder falsche Aussagen entdeckt, die wir hier korrigiert haben. Jeder hat im Vorfeld die Chance bekommen, den Text über die eigene Reden zu lesen und Stellung zu nehmen. Manchmal hat das zu Änderungen im Text geführt.



Bernd Buchholz, FDP

So langsam wie möglich

„Ein Teil dieses Mobilitätsgedankens ist es nicht: Wir wollen dabei möglichst solange wie möglich brauchen, sondern ein Teil dieses Mobilitätsgedankens ist es, so schnell wie möglich von A nach B zu kommen.“ ~ Bernd Buchholz, FDP

Es redet niemand darüber, dass man so lange wie möglich für eine Strecke braucht, wenn man über ein Tempolimit spricht. Wenn man auf einer 100 Kilometer langen Strecke statt mit 130 km/h mit 160 km/h fährt, werden 8,5 Minuten eingespart. Wenn man sich zusätzlich Verkehrshindernisse wie Staus ansieht, könnte ein Tempolimit zeitlich sogar einen positiven Effekt ausmachen und zu einer Zeitersparnis führen. Ein Tempolimit von 130 km/h führt also nicht zu einer zeitlich längstmöglichen Fahrt.

Quellen:

Tempolimit für die Bahn

„[Die Deutsche Bahn hat Züge, die mehr als 400 km/h fahren, eingeführt,] weil es der Wunsch der Menschen ist, möglichst schnell von A nach B zu kommen. Ob das Verkehrsmittel ‚Bahn‘ heißt oder ‚Auto‘. Und wenn das Verkehrsmittel ‚Bahn‘ heißt und man da über 400 km/h [fährt], dann gilt der Satz, der eben gesagt worden ist, bitteschön natürlich auch für die Bahn. Wenn die Bahn langsamer fahren würde, dann würde sie auch viel weniger Energie verbrauchen, also wäre es doch interessant zu wissen, warum die Deutsche Umwelthilfe kein Tempolimit für Hochgeschwindigkeitszüge fordert.“ ~ Bernd Buchholz, FDP

Züge, die Emissionen ausstoßen, fahren viel langsamer als Elektrozüge. Zudem verteilen sich die Emissionen auf mehr Menschen als in einem Auto. Es ist unbestritten, dass Zugfahren nachhaltiger ist als Autofahren. Auf der Website der Deutschen Bahn steht: „Im Vergleich zum Auto verursachen die Züge des DB-Fernverkehrs 99 Prozent weniger CO₂. Um genau zu sein 1 g CO₂e pro gefahrenen Kilometer. Das geht, weil unsere ICE-, IC- und EC-Züge mit 100 Prozent Ökostrom betrieben werden.“ Ein Tempolimit für Züge lohnt sich also weniger.

Quellen:

Emissionsfreiheit, kein Tempolimit

„Für das Auto, für den PKW, brauchen wir Emissionsfreiheit und dann sind wir doch… Also warum soll ich jemanden, der heute mit einem Zwölfzylinder auf der Autobahn 120 km/h fährt und dabei 15 Liter Diesel hintenrausjagt schlechter behandeln als jemanden, der mit einem Tesla und regenerativen Strom 180 km/h fährt und keinen Gramm CO2 ausstößt?“ ~ Bernd Buchholz, FDP

Wir vermuten, Herr Buchholz wollte statt „schlechter“ „besser“ sagen: „Also warum soll ich jemanden, der heute mit einem Zwölfzylinder auf der Autobahn 120 km/h fährt und dabei 15 Liter Diesel hintenrausjagt besser behandeln als jemanden, der mit einem Tesla und regenerativen Strom 180 km/h fährt und keinen Gramm CO2 ausstößt?“ und damit ausdrücken, dass von einem Tempolimit E-Auto-Fahrer*innen, die emissionsfrei unterwegs sind, betroffen wären. Neben Sicherheitsargumenten gibt es das Argument, dass der Stromverbrauch reduziert werden kann. Die eingesparte Energie kann effektiver genutzt werden und muss nicht durch übermäßig schnelles Fahren verbraucht werden.

Im Kontext mit unserem Interview auf Instagram lässt sich der nicht beendete Satz zu Beginn zum Beispiel so vervollständigen:

„Für das Auto, für den PKW, brauchen wir Emissionsfreiheit und dann sind wir doch gut davor.“

Das ist wahr, zumindest aus verkehrspolitischer Sicht wären wir gut davor. Doch wir sind es nicht. Rund 18 Prozent der im Juni 2025 neu zugelassenen Autos sind Elektroautos. Ungefähr 3,3 Prozent der PKWs in Deutschland sind rein elektrisch betrieben. Aktuell würde ein Tempolimit also sehr viel CO2 einsparen, da die allermeisten Autos Verbrenner oder Hybride sind. Dagegen, dass ein Tempolimit viel CO2 einspart, sagt Herr Buchholz nichts.

Quellen:

Gegenbeispiel Österreich

„Wenn es richtig wäre, dass ein Tempolimit dafür sorgt, dass Menschen, weil sie dann ja nicht so schnell fahren können, auch kleinere Autos kaufen würden – das sogenannte Downsizing-Modell… Also statt des SUV mit Sechszylinder oder Zwölfzylinder kaufen wir jetzt alle nur noch kleine Autos, die dann dementsprechend auch langsamer fahren und weniger ausstoßen, dann ist das Gegenbeispiel in Österreich erbracht. Im Österreich gibt es ein Tempolimit und der Durchschnitt, das durchschnittliche Fahrzeug, hat eine in etwa 200 cm³ größere Hubraumgröße als in Deutschland.“ ~ Bernd Buchholz, FDP

Je größer der Hubraum, desto mehr Leistung kann der Motor eines Verbrennerautos erbringen. Argumente sollten allgemeingültig sein. Von Daten eines einzelnen Landes lässt sich nicht auf eine Gesamttendenz schließen. Nur weil in Österreich, einem kleineren, gebirgigen, verkehrspolitisch anders aufgestellten Land die Hubraumgröße durchschnittlich größer ist, heißt das nicht, dass ein Tempolimit tendenziell zu kleineren Hubraumgrößen führt. Weltweit sieht das vielleicht ganz anders aus. Aus Buchholz‘ Aussage selbst lässt sich auch nicht entnehmen, wie die Hubraumgröße vor dem österreichischen Tempolimit und kurz danach war. Vielleicht ist diese kurzfristig gesunken, aber dann unabhängig vom Tempolimit langfristig gestiegen.

Wir haben bei Bundesamt für Statistik Österreich nachgefragt und alle Tabellen, die es zu dem Thema gibt, bekommen. Aus diesen Daten ergibt sich nicht, dass das Tempolimit in Österreich zu kleineren Hubraumgrößen geführt hat. Im Gegenteil, die Aussage von Herrn Buchholz ist höchstwahrscheinlich falsch. 1974 – Im Mai des Jahres wurde das Tempolimit eingeführt – liegt in einer Zeit, in der die Hubraumgrößen eigentlich jährlich gestiegen sind.


 

Aus den Daten zur Anzahl der Hubraumgrößen der gekauften Autos lässt sich vielleicht schon eine Tendenz erkennen. Um sicherer zu sein, haben wir jeder Hubraumgröße eine Zahl von 1-7 zugeordnet: Je größer die Hubraumgröße, desto höher die Zahl. Diese Zahl haben wir mit der Anzahl der Autos jeder Hubraumgröße multipliziert und dann durch die Anzahl der jeweiligen Hubraumgrößen geteilt. Daraus ergab sich ein ungefährer Mittelwert für jedes Jahr. Diese Art der Berechnung ist risikoreich, da immer nur Bereiche angesehen werden. Der Bereich „unter 500 ccm“ ist deutlich kleiner als der Bereich „3000 – 4000 ccm“ und trotzdem wird ihm eine Zahl zugeordnet, die am Ende gleich viel ins Gewicht fällt wie die Zahl für den Bereich von 3.000 bis 4.000 Kubikzentimetern. Auch dadurch, dass innerhalb eines Bereiches die Anzahl der gekauften Autos zum Beispiel eher an der unteren als an der oberen Grenze liegen könnten, wird das Ergebnis ungenau. Trotzdem ist die Tendenz auffällig und ein Hinweis: In den Jahren 1973 und 1974 sinkt nach der Berechnung die durchschnittliche Autogröße, während in den meisten Jahren davor und danach der Wert steigt. Zugegebenermaßen ist der beschriebene Unterschied zu den Vorjahren, der im Jahr des Tempolimit entsteht, eher gering, aber eben vorhanden. Ob dieser durch das Tempolimit entstanden ist, kann nicht gesagt werden. Es gibt viele Faktoren, die den Autokauf beeinflussen, so um die Zeit der Einführung des Tempolimits herum zum Beispiel die Ölpreiskrise, die viele Menschen vor Herausforderungen stellte.



Lasse Petersdotter kritisiert im Landtag Buchholz‘ Argumentation. Jedes Land mit einer geringeren SUV-Quote könne ein Gegenargument für seine Argumentation sein. Buchholz gibt zu: „Das ist ein Punkt, eindeutig“ und lacht, fragt aber nach, ob Petersdotter ein anderes Land benennen könne. Dieser antwortet mit „Nordkorea“. Das Plenum lacht, Buchholz geht zum Ende der Rede über.

Quellen:

Tempolimit für Verbrenner

[Zwischenfrage von der SPD:] Wenn ich das richtig verstanden habe, würde die FDP einem Tempolimit ausschließlich für Verbrenner zustimmen?“ Bernd Buchholz: „Um ehrlich zu sein, finde ich das einen Gedanken, dem wir uns nähern müssen.“

Aus rechtlicher Sicht können wir das nicht beurteilen. Nelly Waldeck von den Grünen sieht große juristische Hürden und nannte den Vorschlag einen „Quatschvorschlag“, Sybilla Nitsch (SSW) sah zusätzlich Umsetzungsschwierigkeiten.

Quellen:

Autobahnen die sichersten Straßen

„Unsere Autobahnen sind die sichersten Straßen Deutschlands“ ~ Bernd Buchholz, FDP

Das stimmt, doch darüber, ob ein Tempolimit sie noch sicherer machen könnte, wird nicht gesprochen. Laut Berechnung von DER SPIEGEL könnte ein Tempolimit von 130 km/h jährlich bis zu 140 Todesfälle verhindern.

Lukas Kilian, CDU

Chronologie der Tempolimit-Anträge

Lukas Kilian hat in seiner Rede so gut wie keine Fakten genannt, die sich inhaltlich auf eine Argumentation für oder gegen ein Tempolimit beziehen. Er hat eine Chronologie der politischen Geschehnisse zum Thema Tempolimit aufgezählt und sich damit nicht thematisch mit dem Antrag auseinandergesetzt, sondern den Antrag ins Lächerliche gezogen. Zu diesem Verhalten haben wir ein Statement geschrieben.

Initiative ist zum Scheitern verurteilt

„Auch die Spielart, den Antrag als Bundesratsinitiative einzureichen, ist sinnlos, da ohne eine Mehrheit im Bundesrat auch eine derartige Initiative ja zum Scheitern verurteilt ist.“ ~ Lukas Kilian, CDU

Es ist nicht immer sinnlos einen Antrag einzureichen, auch wenn er keine Erfolgsaussichten hat. Zumindest haben die viele Anträge, die beispielsweise im Bundestag gestellt werden, auch wenig Chancen auf Erfolg und werden trotzdem gestellt, weil die wenigsten ihre Position aufgeben, nur weil die Mehrheit eine andere Position besitzt. Es stimmt aber, dass Anträge ohne Erfolgsaussichten im Bundesrat eher nicht gestellt werden, weil es durch die dort fehlende Opposition deutlich weniger um die Debatte geht als im Bundestag.

Ohne einen Versuch kann man die Mehrheit nicht überzeugen. Außerdem ist die Hälfte der Landesregierungen, die ja im Bundesrat sitzen und abstimmen, von den Grünen oder der SPD geführt, weshalb ein Tempolimit-Antrag hier gar nicht unglaublich schlechte Erfolgsaussichten hat. Würde ein CDU-geführtes Bundesland für eine Tempolimit-Initiative im Bundesrat sorgen, wäre es nicht mehr so selbstverständlich, dass andere CDU-geführte Bundesländer nicht zustimmen. Der Widerstand aus anderen Landesverbänden der CDU, die an Regierungen beteiligt sind, könnte dadurch auch geringer werden – auch, weil das Tempolimit im Bundes-Koalitionsvertrag nicht mehr schriftlich abgelehnt wurde.

Quellen:

Claus Ruhe Madsen, Verkehrsminister und Vertreter der Landesregierung, CDU

Die Dänen lieben Autobahnen

„Dänen lieben Autobahnen.“ ~ Claus Ruhe Madsen, Landesregierung

Das ist sehr verallgemeinernd, es gibt keine Statistik darüber, dass Dänen Autobahnen lieben würden. Mehr zu dieser Art der Argumentation in unserem Statement.

Autobahnen: Die sichersten Straßen

„Die Autobahn in Deutschland ist die sicherste Straße, die wir haben. Über eine Milliarde Kilometer führt zu 1,3 Todesfällen. Trotzdem sind natürlich auch 1,3 Todesfälle 1,3 Todesfälle zu viel. Darüber brauchen wir gar nicht streiten.“ ~ Claus Ruhe Madsen, Landesregierung

Die Aussagen stimmen beide. Seine Einschränkung ist argumentativ ein wenig verwirrend, da Madsen sein Argument wieder entkräftet und seine Meinung durch die Argumentation nicht klar wird. Das angeführte Argument wird im Laufe der Zeit nicht wirklich entkräftet.

Quellen:

Unfallquote in Deutschland geringer

„Wenn wir einen Vergleich aufziehen zu Ländern, die kein Tempolimit haben, stellen wir fest, dass sehr viele Länder eine deutlich höhere [Unfalltoten-]Quote haben. Ja, es gibt aber auch Länder, jetzt will ich nicht Nordkorea wieder nennen, aber es gibt natürlich auch Länder, in denen die Quote niedriger ist, aber es ist zu mindestens in den Vergleich mit den Ländern, die wir uns üblicherweise vergleichen so, dass die Quote deutlich geringer ist.“ ~ Claus Ruhe Madsen, Landesregierung

Die Argumentation und die Formulierung ist unklar. Da alle Länder mit denen „wir uns üblicherweise vergleichen“, also alle Länder in Europa, ein Tempolimit haben, würde er damit sagen, dass in Ländern mit Tempolimit die Todesquote höher ist als in Deutschland. Es ist uns nicht klar von welchen Ländern die Rede ist und was er mit seiner Aussage meint. Sollte Herr Madsen davon sprechen, dass die Unfallquote in Deutschland geringer ist als in anderen Ländern: Laut Berechnung von DER SPIEGEL könnte ein Tempolimit von 130 km/h jährlich bis zu 140 Todesfälle verhindern.

Quellen:

30% der Autobahnen mit Tempolimit

„[Es ist] ja nicht so, dass wir zum einen kein Tempolimit grundsätzlich haben, aber wir haben auch nicht grundsätzlich freie Fahrt. Wir haben bereits heute schon 30% aller Bundesautobahnen, die mit einem Tempolimit belegt sind. Dazu kommen Baustellen, dazu kommen heutzutage immer mehr Fahrzeuge, E-Fahrzeuge, die von sich aus deutlich langsamer unterwegs sind.“ ~ Claus Ruhe Madsen, Landesregierung

Die erste Aussage stimmt laut Quellen aus dem Internet nicht ganz. Nur 21 % der deutschen Autobahnen sind mit einem generellen Tempolimit belegt, auf 9% wird das Tempo durch Verkehrsbeeinflussungsanlagen geregelt. Vermutlich hat Madsen als Verkehrsminister aber aktuellere Daten.

E-Autos können genau so schnell werden wie Verbrenner, wenn sie darauf ausgelegt sind. Das Fahren mit sehr hoher Geschwindigkeit verringert die Reichweite der E-Autos, sodass viele Fahrer*innen häufig nicht von der Höchstgeschwindigkeit Gebrauch machen.

Quellen:

Sybilla Nitsch, SSW

Schüler*innen einer Schule

„Mit großem Interesse habe ich den Beitrag des Umwelt-Magazins gesehen von Schülerinnen und Schülern [von Schule xy]“ ~ Sybilla Nitsch, SSW

Wir gehören schon seit einer Weile zu keiner Schule mehr und wollen unsere Schule nicht mit unseren Projekten in Verbindung bringen.

Umfragen zum Tempolimit

„Laut Umfragen – das ist auch sehr interessant – gibt es eine Mehrheit von gut 60 Prozent der Bevölkerung, die mittlerweile für ein Tempolimit ist oder es nicht ganz ausschließt. Die absolute Ablehnung liegt nur noch bei 12 bis 15 Prozent der Leute.“ ~ Sybilla Nitsch, SSW

Das ist ungenau. In den meisten Umfragen ist die Mehrheit, 60 Prozent der Bevölkerung für ein Tempolimit. 12 Prozent Ablehnung allerdings wurden in einer nicht-repräsentativen Umfrage der KN festgestellt. Dabei wird sich auf Schleswig-Holsteiner bezogen. In anderen Umfragen dagegen ergab sich eine Ablehnung von 40 Prozent. Einige Umfragen unterteilen auch in „Ja, auf jeden Fall“, „Eher ja“, „Eher nein“ und „Nein, auf keinen Fall“. Es ist schwierig, die Angaben in „nicht ganz ausschließen oder für ein Tempolimit“ und „absolut dagegen“ einzuteilen.

Quellen:

Nelly Waldeck, Grüne

Tempolimit kostet nichts

„Es kostet eben auch gar nichts, [ein Tempolimit] einzuführen.“ ~ Nelly Waldeck, Grüne

Doch, ein bisschen Geld wird die Einführung des Tempolimit kosten – wenn es dann vielleicht auch nur um aktualisierte Schilder an den Bundesgrenzen geht. Insgesamt wird ein Tempolimit aber mehr Geld einbringen. Laut einer Studie aus dem Jahr 2023 kann ein Tempolimit von 130 km/h für „negative Kosten“ von mindesten 950 Millionen Euro im Jahr sorgen.

Quellen:

Bildquellen

Titelbild: Collage, Bild von Claus Ruhe Madsen: Von Kasa Fue – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=112625066

Umweltschutz ist noch ein Thema, sogar eines der wichtigsten Themen. Das haben viele bekannte Personen, die sich auskennen, bestätigt. Sie haben mitgemacht bei unserer Aktion „Wir alle für Klimaschutz jetzt!“ und bekennen sich mit ihren verschiedenen Perspektiven zu Klimaschutz – jetzt!

Wir haben Pia Hahn interviewt. Sie ist Vorsitzende der Carl & Marisa Hahn-Stiftung – einer Stiftung, die sich mit Bildung, Nachhaltigkeit und sozialen Projekten befasst. Seit ein paar Jahren findet der von der Stiftung initiierte Schulwettbewerb „My school goes green“ statt, bei dem Wolfsburger Schulprojekte ausgezeichnet werden. 

Eindrücke von der Auszeichnungsveranstaltung

Quelle: hahn-stiftung.org/schuelerwettbewerb


Worüber wir gesprochen haben

Das Interview haben wir in zwei Abschnitte unterteilt. Zuerst haben wir Pia Hahn, die Stiftungsvorsitzende, zu ausgewählten politischen Themen befragt, um einen groben Eindruck von ihren umweltpolitischen Ansichten zu bekommen. Dann ging es konkret um ihre Stiftung: Woran arbeitet die Hahn-Stiftung, warum engagiert Pia Hahn sich dort? Was treibt sie an?

Beim Wettbewerb „My school goes green“ waren der Wolfsburger Oberbürgermeister, der Vorsitzende von VfL Wolfsburg, eine Führungskraft von Volkswagen sowie Peter Maffay anwesend. Mit Letzterem ergibt sich gegebenenfalls ein weiteres, vertiefendes Interview über die Gründe dafür, die Schirmherrschaft des Wettbewerbs zu übernehmen. Wir hoffen es einfach mal:)

Nun aber zuallererst: Bild- und Tonqualität sind sehr schlecht. Der Ton liegt leider an einem kleinen Fehler, den wir bei der Aufnahme gemacht haben. Wie die Bildqualität ist, hängt immer von der Internetverbindung der Beteiligten ab. Trotzdem wünschen wir ganz viel Spaß beim Ansehen des Interviews!

Interview



 

Daniel Günther ist der schleswig-holsteinische Ministerpräsident. Wir haben ihn interviewt, weil wir uns von Zeit zu Zeit immer mehr gefragt haben, wie er mit den Widersprüchen umgeht, die zwischen seiner und der Politik der Bundes-CDU herrschen:

Widersprüche


Daniel Günther - Markus Söder

“Anstatt einfach den Mund zu halten und zu sagen, wir kämpfen für eine starke CDU. Und eine starke CSU. Markus Söder führt diese Diskussion mit sich selbst.” ~ Daniel Günther

Daniel Günther - Markus Söder

“Es ist ein kleines und schönes Land mit schöner Landschaft, wirtschaftlich enormen Problemen, finanziell hoch verschuldet [… ] Ich würde mal sagen: Um die eigenen Probleme kümmern und dann mit einer ordentlichen Bilanz bundesweit auftreten, ist okay. Ansonsten kann ich nur sagen: [Meine] Position zu den Grünen ist die mehrheitliche Position der Unionswähler.” ~ Markus Söder

Daniel Günther über das Gendern

“Bei manchen Genderdebatten stellen sich mir auch die Nackenhaare auf, aber wir müssen begreifen: Es bringt uns gar nichts, wenn wir über so einen Mist diskutieren.” “Populistisches Draufhauen” helfe der CDU nicht, “die Leute gehen nahtlos zur AfD”. “Kurs der Mitte, sprachlich sauber bleiben, keine Debatten über das Gendern und andere Nebensächlichkeiten führen – den Leuten halt keinen Scheiß erzählen.” ~ Daniel Günther, zitiert in der Süddeutschen Zeitung

Daniel Günther - Friedrich Merz

“Wir müssen diese Möglichkeit, ein [AfD-] Parteiverbot anzustreben, dann auch nutzen. Diese Auffassung teile ich mit vielen.” ~ Daniel Günther

Daniel Günther - Friedrich Merz

[AfD-Verbot:] “Das riecht mir zu sehr nach politischer Konkurrentenbeseitigung” ~ Friedrich Merz

Daniel Günther - Carsten Linnemann

“Linke und AfD kann man nicht miteinander gleichsetzen.” ~ Daniel Günther

Daniel Günther - Carsten Linnemann

“Der Unvereinbarkeitsbeschluss ist gut so, wie er ist.” ~ Carsten Linnemann

mehr Beispiele jetzt im Interview

Viel Spaß beim Ansehen!


Das Interview

Mit Daniel Günther haben wir eine halbe Stunde über Klimakrise und Umweltschutz gesprochen. Es ging um Populismus und das Einhalten der Klimaziele. Es ging um die Frage, was Friedrich Merz denn tun würde, wenn unter dem Einhalten der Klimaziele der Wohlstand des Landes gefährdet wird. Laut Merz könnte man dann nämlich die wohlstandsgefährdenden Klimaschutzmaßnahmen nicht durchführen. Wir haben Günther gefragt, ob Verbote vielleicht doch nicht immer so schlecht sind und was er eigentlich von einem Tempolimit hält. Wir haben über Superreiche und Privatjets geredet. Umweltpolitik in Schleswig-Holstein war ein großes Thema. Wir haben ihn zu Robert Habeck befragt und ihm drei Geschenke überreicht, mit denen er etwas machen soll. Wie er geantwortet hat, als wir ihm einen Tempolimitsticker, eine Ausgabe von „Der Schimmelreiter“ sowie ein überraschendes Zitat von Konrad Adenauer gegeben haben, erfahrt ihr im Interview.



 

Als jemand, der in einer Ölstadt im Bundesstaat Zulia in Venezuela aufgewachsen ist, bin ich es gewohnt, Ölverschmutzungen zu sehen, wo immer ich hinschaue: in der Zeitung, in den Nachrichten und sogar hinter dem Haus eines Freundes. Aber was bedeutet Öl für die Venezolaner*innen, insbesondere für die Menschen im Bundesstaat Zulia, der Region, die die größten Ölreserven des Landes besitzt und auch die größten Mengen fördert?


Hinweis: Meinung und Übersetzung

Bitte beachtet, dass dies ein Kommentar ist. Wir, das Umwelt-Magazin, wollen die Themen Umwelt und Klima möglichst umfassend und vielseitig betrachten und lassen jede Person zu Wort kommen, deren Meinungen und ihr Verhalten (in Bezug auf das Themengebiet Klima und Umwelt) wissenschaftlich begründbar sind. Dieser Artikel gibt die Meinung unserer Autorin wider. Dieser Artikel wurde aus dem Englischen übersetzt.

Mitte der 1990er Jahre war für viele Venezolaner*innen, Öl zu haben, in der Ölindustrie zu arbeiten oder in der Nähe einer Ölpumpe zu arbeiten ein Symbol für Wohlstand. Es wurde als Quelle des Nationalstolzes und Reichtums angesehen. Heute steht es zumindest für mich für das Versagen einer Nation. Die Ölverschmutzungen in ganz Venezuela sind nicht nur Umweltkatastrophen, sie sind die direkten Folge der systemischen Korruption, der größten in der Geschichte des Landes.
Von Ölteppichen mitten im Meer, im Maracaibo-See und entlang der Küsten verschiedener Strände Venezuelas, wie beispielsweise Puerto Cabello, stellen diese Ölverschmutzungen eine erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt dar. Sie beeinträchtigen Meeres- und Landtiere sowie Menschen – besonders indigene Völker. Diese Ölverschmutzungen verursachen eine Reihe von Problemen: von Atemwegs- und Hauterkrankungen bis hin zur Kontamination von Tieren wie Schildkröten, Fischen, Rindern und Hunden. Dies schädigt das Ökosystem, da der Tod dieser Arten die Nahrungskette stört. Das Öl hat große Auswirkungen auf Gewässer. Der Maracaibo-See ist die Heimat vieler verschiedener Arten und dient vielen Menschen als Lebensgrundlage, darunter Fischern, Tourismus und Restaurants in der Nähe des Sees. Die Verschmutzung des Maracaibo-Sees wird durch Umweltfaktoren wie hohem Mineralgehalt im Wasser und massiver Algenblüte beeinflusst. Diese Algenblüten begannen vor etwa 20 Jahren nach einer Öllieferung aus den Vereinigten Staaten und haben seitdem explosionsartig zugenommen, wodurch sich das einst lebhafte blaue Wasser in ein trübes Grün verwandelt. Der Geruch ist unerträglich und das Wasser ist weder trinkbar noch sollte es berührt werden.



Wirtschaft

Diese Verschmutzung hat die lokale Fischereiindustrie zerstört. Viele Fischer, die für ihren Lebensunterhalt auf den See ihren Lebensunterhalt verdienen, haben nun Schwierigkeiten, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Sie mussten mit ansehen, wie die Fischbestände aufgrund des verschmutzten Wassers zurückgehen. Noch schlimmer ist die Situation für Familien, die in Stelzenhäusern am Ufer leben. Diese Familien sind direkt vom See abhängig, um sich zu ernähren, mit Wasser zu versorgen und ihr Einkommen zu sichern. Doch mit der Verschlechterung der Wasserqualität des Sees gibt es zunehmende Schwierigkeiten, diese Lebensweise aufrechtzuerhalten. Ganze Gemeinden sind betroffen, ohne dass die Regierung sie bei der Bewältigung des Problems wirklich unterstützt.

Gesundheit

In der Nähe des Sees befinden sich zwei Universitäten – am Seeufer. Die Studierenden dieser Einrichtungen sind täglich der giftigen Verschmutzung ausgesetzt. Die Gesundheitsrisiken sind erheblich, und es gibt wachsende Besorgnis über die langfristigen Auswirkungen auf ihr Wohlbefinden. Von Atemwegsproblemen bis hin zu Hauterkrankungen und möglichen Langzeiterkrankungen – Die Risiken sind sehr real. Dies ist nicht nur ein Problem für Fischer oder Anwohner, sondern eine Krise der öffentlichen Gesundheit, die Menschen über Generationen hinweg betrifft.

Öl-Reserven weltweit im Jahr 2013: Venezuela ist an der Spitze

Auswirkungen auf die Tierwelt

Wildtiere, insbesondere Fische, Vögel und aquatische Arten, leiden unter dem Verlust ihres Lebensraums, Vergiftungen und reduzierten Nahrungsquellen, was langfristige Folgen für die Artenvielfalt hat. Hunde, Vögel, Schildkröten und andere Tiere, die in der Region leben, erkranken häufig oder sterben, weil sie mit dem giftigen Wasser in Berührung kommen. In einigen Fällen werden Tiere gefunden, die in Ölteppichen oder in Not geraten und der kontaminierten Umgebung nicht entkommen können.

Indigene Gemeinschaften

Ich möchte auch die Rolle der indigenen Gemeinschaften in diesem Kampf hervorheben. Viele der Wayuu, Pemon und anderer indigener Gruppen, die in der Nähe des Maracaibo-Sees leben, haben eine tiefe Verbindung zu Land und Wasser. Für sie ist dieser See nicht nur eine Quelle des Lebensgrundlage, sondern Teil ihrer Kultur und Identität. Diese Gemeinschaften kämpfen seit Jahren darum, seit Jahren für den Schutz ihres angestammten Landes und ihrer Lebensweise. Ihre Stimmen müssen in der breiteren Debatte über Ölverschmutzung gehört werden.

Diese beschriebenen Ölverschmutzungen beim Maracaibo-See sind keine Einzelfälle, sondern gibt es seit Jahren. Nicht nur dort. Tatsächlich hat Venezuela eine lange Geschichte der Ölförderung, aber die Verwaltung dieser Industrie ist von Ineffizienz und mangelnder Rechenschaftspflicht geprägt. Die Verschmutzungen treten regelmäßig auf, und obwohl einige vorübergehend behoben werden konnten, verschwindet das Problem nie wirklich.  Und jede neue Verschmutzung, die hinzu kommt, verschlimmert die ohnehin schon schlechte Situation. Die Verschmutzungen werden noch lange eine schmerzhafte Erinnerung an die Misswirtschaft des Landes mit seinen Ressourcen und die durch systemische Korruption verursachten Umweltschäden sein. Sie beeinträchtigen nicht nur die Ökosysteme und die Tierwelt, sondern auch die Gesundheit, die Lebensgrundlagen und die kulturelle Identität ganzer Gemeinden. Da Venezuela mit den Folgen seiner Ölabhängigkeit zu kämpfen hat, besteht ein dringender Bedarf an Rechenschaft, Umweltschutzpolitiken und Investitionen in alternative Energiequellen.

Doch trotz der Herausforderungen und der Schatten des Öls bleibt Venezuela ein Land mit großem Potenzial. Dieses Potenzial wird aber durch die anhaltende politische und wirtschaftliche Krise reduziert.

Bildquelle

  • Titelbild: By Fernando Flores from Caracas, Venezuela – Catatumbo Lightning | Rayo del Catatumbo, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=51023191

Mit drei Jahren beginnt er mit dem Klavierspielen. Mit sechs Jahren spielt er mit dem Philharmonischen Orchester seiner Heimatstadt. Von Russland nach Deutschland wandert er als Kontingentflüchtling aus, absolviert sein Studium an einer Hochschule für Musik in Hannover mit der dort höchsten Punktzahl jemals. Er gilt als einer der besten Klavierspieler weltweit und hat zahlreiche internationale Auszeichnungen gewonnen, teils als jüngster Teilnehmer. Mittlerweile wurde ihm aber auch für seinen Kampf gegen Rechtsextremismus das Bundesverdienstkreuz verliehen. Er setzt sich insbesondere gegen Antisemitismus ein und wird dadurch auch stark angefeindet. Auch bei Fridays for Future-Demonstrationen war er dabei und hat sich deutlich für mehr Klimaschutz positioniert: Igor Levit. Mit ihm sprechen wir über Klimaschutz in Zeiten, in denen populistische Kräfte an Zustimmung gewinnen.

Umwelt-Magazin: Sie haben Angela Merkel aufgrund ihrer Klimapolitik als Heuchlerin bezeichnet. Wie würden Sie Olaf Scholz im Umgang mit Klimaschutz bezeichnen?

Igor Levit: Das ist sehr viele Jahre her, oder? Wann war das?

Umwelt-Magazin: Das war im Jahr 2019.

Igor Levit: Ich würde Olaf Scholz im Umgang mit Klimaschutz, glaube ich, ähnlich beschreiben wie bei den meisten anderen Themen. Ich halte Olaf Scholz mittlerweile in seiner Art der Kommunikation, in seiner Arroganz, in seinem Nichtsprechen, Nicht-wirklich-Kommunizieren, wirklich für sehr, sehr schwer zu ertragen. Ich würde es wirklich nicht auf den Klimaschutz alleine reduzieren, sondern auf die allermeisten gesellschaftlichen Fragen. Der Mann ist ein Bundeskanzler. Er ist immer noch Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland – und zwar, wie der Name schon sagt, der gesamten Bundesrepublik Deutschland. Es ist unser aller Kanzler. Er schafft es, nach der Brandenburg-Wahl, die so ausgegangen ist, wie sie ausgegangen ist, zu sagen, dass es ein tolles Ergebnis für die SPD sei. Ein tolles Ergebnis „für uns alle“. Dabei haben viele Menschen Politiker*innen gewählt, die für viele in diesem Land buchstäblich lebensgefährlich sind.

Ja, nee, das ist nicht ein tolles Ergebnis für uns alle. Insofern würde ich, glaube ich, nicht nur bezüglich Klimaschutz, sondern auch bezüglich vieler anderer Themen sagen: „Ich fühle mich von meinem Bundeskanzler nicht mehr repräsentiert.“

Fridays for Future & Greta Thunberg

Umwelt-Magazin: Sie haben sich hiermit wie auch schon in der Vergangenheit politisch geäußert. Sie sind befreundet mit Robert Habeck. Sie sind Mitglied der Grünen. Sie haben bei Fridays-for-Future-Demonstrationen mitgewirkt. Wieso verbinden Sie sich als Musiker mit Parteien und Politik. Schadet einem das nicht eher?

Igor Levit: Ob mir das schadet, ist keine Frage, die ich mir je gestellt habe. Ich fühle mich als Bürger dieses Landes verpflichtet, Engagement zu zeigen. Eine Demokratie lebt, steht und fällt mit dem Engagement eines jeden Einzelnen. Wir alle haben Verantwortung, wir alle suchen uns gewisse Wege, wie wir dieser Verantwortung nachkommen. Ich bin der Partei der Grünen beigetreten vor gar nicht mal so wenigen Jahren, weil ich ein sehr starkes und enges Vertrauensverhältnis zu einigen Akteur*nnen der Grünen habe. Ich habe das auch nie bereut, bin aber sehr kritisch mit der Partei. Das ist ja auch gut so. Aber vor allem bin ich Staatsbürger. Wie sollen mir denn Engagement und eine Verbindung zu einer Partei denn schaden? Also: Nein, ich habe mir darum nie Gedanken gemacht. Ich werde mir darum keine Gedanken machen. Wer das zum Thema machen will, der soll es probieren.

Umwelt-Magazin: Haben Sie in der Vergangenheit irgendwelche Beschimpfungen erlebt, weil Sie Mitglied der Grünen waren?

Igor Levit: Keine, die ich besonders ernst genommen habe.

Umwelt-Magazin: Greta Thunberg äußert sich seit einem Jahr nicht selten pro-palästinensisch und ist gleichzeitig eine Art Ikone der Klimabewegung. Viele Menschen, auch Politiker*innen, haben sich daraufhin von Greta Thunbergs Äußerungen distanziert und sie kritisiert. Wie sollte man mit den Äußerungen Ihrer Meinung nach umgehen?

Igor Levit: Wie man mit diesen Äußerungen umgehen soll? Jeder soll sich selber im Spiegel anschauen. Für mich ist Greta Thunberg mittlerweile seit diesem Jahr eine politische und moralische Persona non grata.

Umwelt-Magazin: Finden Sie, man sollte sich, wie es Fridays for Future Deutschland gemacht hat, von den Organisationen, die Thunbergs Meinung teilen, abkapseln? Oder sollte man sagen, nur wenn wir alle zusammen für Klimaschutz kämpfen, sind wir stark?

Igor Levit: Was Fridays for Future Deutschland gemacht hat und auch proklamiert hat, dem habe ich nichts hinzuzufügen.

„Ihr könnt alle Umweltschutzfragen in den Rucksack packen und aus dem Fenster werfen, wenn ein Land von Extremisten regiert wird“

Umwelt-Magazin: Okay – Hat für Sie der Kampf gegen Antisemitismus, gegen Extremismus, etwas mit Umweltschutz zu tun?

Igor Levit: Ihr könnt alle Umweltschutzfragen in den Rucksack packen und aus dem Fenster werfen, wenn ein Land von Extremisten regiert wird, die einen der entscheidenden Punkte, der für die Gesundheit und das Bestehen jeder Demokratie von essenzieller Bedeutung ist, mit Füßen treten: das faktische Kommunizieren. Wenn dieses Land irgendwann von Menschen regiert werden sollte, die einfach keine Fakten mehr kennen, sondern nur noch über Gefühle gehen, dann gibt es keinen Klimaschutz mehr. Insofern ist der Kampf gegen Demokratiefeinde, von welcher Seite auch immer, das Fundament für jede Form des Kampfes für den Klimaschutz.

Umwelt-Magazin: Ist das nur die AfD oder sind das auch noch andere Parteien?

Igor Levit: Es gibt auch andere. Es ist die AfD, es ist das BSW, es sind aber auch Bewegungen auf der Straße. Noch einmal: Jede Bewegung, die das demokratische Miteinander als solches mit Füßen tritt und gefährdet – praktisches Sprechen gefährdet, Menschen gefährdet – kann niemals Partner sein für eine Klimaschutzbewegung. Und wer da verwässert, dem glaubt man weder das eine noch das andere.

Umwelt-Magazin: So ein typisches Konzerthaus, wie nachhaltig ist das?

Igor Levit: Das kann ich nicht pauschal beantworten, das müsste jedes Konzerthaus selbst beantworten. Das kann ich nicht sagen.

Als Prominente*r öffentlich für Klimaschutz eintreten?

Umwelt-Magazin: Gibt es da einige Vorbilder oder macht man sich da überhaupt Gedanken drüber?

Igor Levit: Man macht sich immer mehr Gedanken drüber. Es ändert sich das Reiseverhalten, es ändert sich das… Natürlich macht man sich da Gedanken drüber. Jedes Konzerthaus, jede große Institution und sei es aus Gründen der Kosten, macht sich natürlich Gedanken darüber, wie es nachhaltig funktionieren kann. Selbstverständlich. Aber wie jetzt ein Haus konkret aufgestellt ist, das kann ich euch so nicht sagen.

Umwelt-Magazin: Wie stark ist das Bewusstsein für Klimaschutz in der Profimusik-Branche? Kann man das besser sagen?

Igor Levit: Es gibt solche und solche. Musikerinnen und Musiker sind auch nur Menschen. Es gibt welche, für die ist das von sehr großer Bedeutung. Es gibt welche, für die ist das von keiner großen Bedeutung. Ich habe noch niemanden kennengelernt, der mir gesagt hat: „Das ist mir egal.“ Für manche ist das eben einfach nicht der Hauptfokus, aber ich glaube: Es gibt kaum mehr jemanden, der das Thema des Erhaltens von Lebensgrundlagen nicht für essentiell hält. Aber noch einmal: Ohne ein politisch halbwegs gesundes, faktenbasiertes, nicht Menschenleben-gefährdendes Fundament, können wir uns jede Klimapolitik einfach sparen.

Umwelt-Magazin: Viele bekannte Persönlichkeiten haben sich im Gegensatz zu Ihnen bisher noch nicht zu Klimaschutz geäußert – Nicht nur zu Klimaschutz haben sie sich nicht geäußert, sondern zum Zustand der Demokratie insgesamt. Sie haben sich noch nicht politisch geäußert. Haben Sie eine Idee, warum?

Igor Levit: Auch das wieder: Müsst ihr jeden Einzelnen und jede Einzelne selbst fragen. Ich kann niemandem Dinge vorschreiben – niemand muss, alle sollten, ja, aber niemand muss. Wir leben in einer freien Gesellschaft. Die Entscheidung, sich zu äußern, sich zu engagieren, ist auch Teil von einer freien Gesellschaft. Da darfst du auch sagen: „Nein, ich will nicht. Ich kann nicht. Der Preis dafür ist zu hoch, ich habe Angst, etc.“ Jeder hat das Recht, das zu denken. Ich ticke nur anders. Ich würde auch niemandem pauschal daraus einen Vorwurf konstruieren. Es gibt welche, die sind einfach ignorant. Kann sein. Das ist leider so. Manche Menschen sind ignorant. Aber, hey, nochmal, freie Meinungsäußerung, freie Gesellschaft. Das gilt so. Ihr könnt niemanden zwingen, ihr solltet niemanden zwingen zu etwas, was ein souveräner Mensch nicht will. Ich finde es schade, ich finde es falsch. Aber ich werde niemanden deswegen an den Pranger stellen. Und dann gibt es einfach welche, die gewisse Ängste haben und die kann ich sehr nachvollziehen. Ich ticke anders, ich tue es trotzdem, aber ich kann jeden verstehen, der sich fragt, ob er bereit ist, den Preis einer gewissen Öffentlichkeit und eines gewissen Engagements zu zahlen.

Umwelt-Magazin: Würden Sie sagen, die Bereitschaft, sich als Prominenter politisch zu äußern, hat sich gewandelt in der letzten Zeit?

Igor Levit: Ja.

Umwelt-Magazin: Beim Klimaschutz und Demokratie insgesamt, beim Sprechen über Populismus oder an welcher Stelle?

Igor Levit: Ja, natürlich. Es braucht einen Knopfdruck auf deinem Handy, um jemandem zu schreiben: „Ich finde dich, ich schlage dich.“ Es braucht ein Knopfdruck, um zu schreiben: „Ich weiß, du bist [an dem und dem Datum] auf der Bühne, [an dem und dem Ort], ich schieße dich von der Bühne.“ Es braucht nicht einmal jemanden, der das ernst meint. Es braucht nur jemanden, der ein Knopfdruck tätigt. Insofern ist der Preis, den man mental bezahlt, teils sehr hoch. Und zu entscheiden, ob man das will, liegt bei jedem Einzelnen und jeder Einzelnen. Niemand von außen, außer die Menschen, die es betrifft, hat das Recht, dies zu kritisieren.

Wir alle für Klimaschutz jetzt!

Umwelt-Magazin: Sie haben es ja wahrscheinlich mitbekommen: Wir haben verschiedene Menschen angeschrieben und manche haben uns zugesagt für ein Interview, Sie zum Beispiel – Die meisten haben uns natürlich nicht zugesagt – und andere haben uns für Videobotschaften zugesagt. Wir wollen die Videobotschaften auf unserer Internetseite veröffentlichen und möglichst verschiedene Perspektiven zusammenbringen. Und jetzt fragen wir Sie: Wenn Sie die Möglichkeit hätten, eine Botschaft zur Umweltkrise an die Menschheit zu richten, was würden Sie inhaltlich sagen? Natürlich sind wir nicht die Menschheit, aber (…)

Igor Levit: Der Themenkomplex des Umweltschutzes, wenn der euch wichtig ist, und wenn ihr euch darum sorgt, wenn ihr möchtet, dass sich Dinge verändern, dass das Thema im Fokus bleibt, dass das faktenbasierte, wahrheitsbasierte Denken im Fokus bleibt: Dann engagiert euch dafür, dass Extremisten nicht das Ruder in diesem Land übernehmen – weil ihr euch ansonsten von diesem Thema politisch eigentlich verabschieden könnt. Das ist meine Botschaft.

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