Bergenhusen – ein Dorf voller Störche
Mitten in der Niederungslandschaft der Flüsse Eider, Treene und Sorge liegt das Storchendorf Bergenhusen. Bergenhusen ist ein kleines Dorf in Schleswig-Holstein, das als „Storchendorf“ bekannt ist. Hier befindet sich das Michael-Otto-Institut im NABU, das sich auf die Erforschung von Weißstörchen spezialisiert hat. Das Gebiet bietet ideale Bedingungen für Naturbeobachtungen und Umweltbildung. Gemeinsam fuhren wir nach Bergenhusen, um mehr von Störchen und den Bedrohungen, denen sie ausgesetzt sind, zu lernen.
Bergenhusen
Die Region mit dem motivierenden Namen Flusslandschaft Eider-Treene-Sorge, in der Bergenhusen liegt, ist geprägt von Feuchtwiesen, Mooren und Flusslandschaften, die eine perfekte Grundlage für den Lebensraum der Störche darstellen. Gebiete wie dieses bieten reichlich Nahrung, da Frösche, Insekten, Würmer und kleine Säugetiere hier in großer Zahl vorkommen. Gleichzeitig finden die Störche in der traditionellen Bauweise des Dorfes mit Reetdächern und offenen Flächen ideale Nistmöglichkeiten.
Außerdem ist Bergenhusen im Vergleich zur Umgebung recht hoch gelegen, sodass der Gleitflug der Vögel ins Tal nur wenig Energie benötigt. Deshalb bauen die Tiere auch immer ihre Nester weit oben, um sich aus den Nestern stürzen zu können und zu jagen, was wegen ihres Gewichts sonst von einem Nest am Boden aus sehr anstrengend wäre.
Auch die naturnahe Landwirtschaft in der Region spielt eine zentrale Rolle. Durch eine extensivere Nutzung der Flächen, den Verzicht auf intensive Pestizid- und Düngemittelanwendung sowie die Erhaltung von Feuchtwiesen und Weiden bleibt die Nahrungsgrundlage der Störche gesichert. Darüber hinaus hat Bergenhusen eine lange Tradition als „Storchendorf“. So werden Nistplätze gezielt erhalten oder neu geschaffen, und Schutzmaßnahmen sowie regelmäßige Beobachtungen und Projekte fördern die Population. Gleichzeitig trägt die geringe Störung durch den Menschen dazu bei, dass die Tiere sich in der Umgebung sicher fühlen.
Es war ein wunderschöner Ausflug, den alle sehr genossen haben und bei dem wir viel gelernt haben. Wir würden auf jeden Fall empfehlen, Bergenhusen zu besuchen und – wenn möglich – auch eine Führung durch das Museum und das Dorf zu unternehmen.
Video über unseren Ausflug
Wir waren so gut vorbereitet. Handy mitgenommen für das Bildmaterial, Mikrofon dabei, Fragenkatalog, eingedacht ins Thema, und dann das Ergebnis ohne Ton, weil wir das Verbindungskabel des Mikrofons nicht fest genug mit dem Handy verbunden haben… Wir haben auf einige unserer gestellten Fragen schriftliche Antworten im Nachhinein bekommen. Wir versuchen hiermit, einen kleinen Ersatz für das zugesagte Video-Interview zu bieten. Liebe Lilli, ganz doll Entschuldigung, dass so schiefgegangen ist!
Interview mit Lilli Kost, NABU Bergenhusen
Umwelt-Magazin: Sind Störche durch die Klimakrise betroffen – wenn ja, wie?
Lilli Kost, FÖJlerin beim NABU: Wetterbedingungen beeinflussen die Gesundheit, das Überleben und die Reproduktion des Weißstorchs direkt und indirekt. Es gibt Hinweise darauf, dass sich eine zu heiße und trockene Witterung in den Brutgebieten negativ auf den Bruterfolg auswirken kann. Extreme Wetterereignisse, die durch den Klimawandel vermehrt auftreten, sind eine zusätzliche Belastung für die Störche. Starkregen in der Brutsaison kann für das Gelege und die Küken gefährlich sein, da diese auskühlen und daraufhin absterben können.
Veränderte Bedingungen wirken sich außerdem auf die Futtersuche aus. Wenn es in den Brutgebieten trocken ist, ernähren sich die Weißstörche vermehrt von Kleinsäugern und Insekten. In regnerischen Zeiten fressen die Störche vor allem Regenwürmer. Diese sind in der frühen Aufzuchtphase besonders wichtig. In dieser Zeit darf es demnach nicht zu trocken sein.
Nicht nur bei uns im Brutgebiet verändern sich die Bedingungen, sondern auch in den Überwinterungsgebieten und auf den Zugwegen. Dort sind auch Dürre und Desertifikation ein Problem für den Storch. […] Der zunehmende Eingriff des Menschen in die Natur sorgt für eine Gefährdung des Weißstorchs. Dazu gehört zum Beispiel die Intensivierung der Landwirtschaft und der damit einhergehende Verlust an Lebensräumen. Zudem sind Ober- und Freileitungen sowie Windkraftanlagen Gefahren auf dem Zugweg des Storchs.
Umwelt-Magazin: Gibt es nicht Wiesen erst so richtig, seitdem es den Menschen gibt? Inwiefern ist der Storch dann überhaupt durch uns Menschen gefährdet? Profitiert er nicht eher von uns, wenn er doch auf Wiesen lebt?
Lilli Kost: Der Weißstorch kommt dorthin, wo die Menschen sind – Er ist ein Kulturfolger. Allerdings findet er seine Nahrung im extensiven Feuchtgrünland. Dieses verschwindet mit zunehmender Intensivierung der Landwirtschaft. Aus dem Feuchtgrünland entsteht Intensivgrünland. Dieses wird häufiger gedüngt, öfter gemäht und stärker entwässert. Durch die intensivere Bearbeitung geht die Artenvielfalt auf den Flächen zurück. Bei der häufigen Mahd streben beispielsweise Frösche und Blüten, welche Insekten anlocken, verschwinden. Zudem ziehen sich im Boden lebende Arten tiefer zurück und sind für den Storch sowie andere Wiesenvögel schlechter erreichbar.
Umwelt-Magazin: Was isst so ein Storch am liebsten?
Lilli Kost: Störche sind Nahrungsopportunisten. Das bedeutet, dass sie ihre Futtersuche nach Möglichkeit an externe Bedingungen anpassen. Entgegen der allgemeinen Annahme, dass sich Störche größtenteils von Fröschen ernähren, fressen die Störche in Bergenhusen vor allem Mäuse und andere Kleinsäuger. Das liegt daran, dass es in der Region um Bergenhusen nicht so viele Frösche gibt. Allgemein gehören auch Insekten und Regenwürmer zum Futter der Weißstörche.
Umwelt-Magazin: Warum bauen Störche ihre Nester so weit oben und gerade auf Hausdächern?
Lilli Kost: Störche nisten allgemein gerne auf erhöhten Plätzen. Zum einen können sie so die Futtergebiete gut überblicken und brauchen nicht so viel Energie, wenn sie aus dem erhöhten Horst hinab segeln. Des Weiteren bietet ein hochgelegenes Nest Schutz der Jungen vor Raubtieren wie dem Marder.
Umwelt-Magazin: Warum heißt der Storch auch Hoier-Boier?
Lilli Kost: In Bergenhusen wird der Storch auch Hoier-Boier genannt. Dieser Begriff lässt sich vom dänischen „at bygge højere“ ableiten, was „höher bauen“ bedeutet. Die Region gehörte bis 1866 zu Dänemark.
Umwelt-Magazin: Was macht man so, wenn man beim NABU Bergenhusen arbeitet?
Lilli Kost: Meine Aufgaben als Freiwillige beim NABU sind sehr vielfältig. Zweimal die Woche werden alle Storchennester im Dorf überprüft. Wir dokumentieren die Ankunftsdaten der Störche, lesen Ringe ab und überwachen die Aufzucht die Küken. Bei der Reinigung der Nester und der Beringung der Jungstörche bin ich auch dabei. Zudem gehört die Umweltbildung zu meinen Aufgaben. Ich betreue unsere Ausstellung und gebe Führungen, um mehr Menschen für den Storch zu begeistern und für den Schutz der Vögel zu sensibilisieren. Im MOIN gibt es noch viele weitere Projekte zu anderen Wiesenvögeln und zur Artenvielfalt im Agrarland. Dort unterstütze ich meine Kolleg*innen bei der Arbeit im Feld.
Umwelt-Magazin: Danke für das Interview und die unglaublich spannende Führung durch Bergenhusen! Das hat uns allen riesigen Spaß gemacht.